Roter Hibiskus: Roman (German Edition)
Und dann war er weg. Das Innere des Flugzeugs hatte ihn verschluckt, und sein Gesicht war nur noch verschwommen hinter dem staubbedeckten Fenster zu erkennen.
Der Pilot schloss die Passagiertür – ein hohles Geräusch, das das Dröhnen der Motoren übertönte. Dann grüßte er Mara und nahm seinen Platz in der Pilotenkanzel wieder ein.
Zögernd setzte sich das Flugzeug in Bewegung, bis es schließlich über die Landebahn rumpelte. Die Afrikaner winkten und schrien, aber Mara stand starr und stumm da. Ihr Schmerz war so groß, dass sie innerlich schrie. Sie blickte dem Flugzeug nach, als es sich in die Luft schraubte, immer höher, bis es schließlich wieder nur ein dunkler Vogel am blauen Himmel war.
Sie folgte ihm mit ihren Blicken. Sie merkte kaum, dass die anderen gingen, die Hütten-Boys plappernd wie immer, unterbrochen nur von der tieferen Stimme eines Mannes. Sie blieb wie erstarrt stehen, als ob sie die Zeit daran hindern könnte zu vergehen.
Schließlich war das Flugzeug nur noch als Punkt zu erkennen, und dann verschwand es am Horizont.
»Sie sind weg.«
Eine weiche, tiefe Stimme und das Rascheln eines Gewandes. Sie roch den leicht rauchigen Duft von Weihrauch.
Menelik trat zu ihr, eine dünne, aufrechte Gestalt. Eine Brise bewegte den Stoff seines Gewandes, und die Sonne glitzerte auf dem koptischen Kreuz, das an einer Schnur um seinen Hals hing.
Der alte Mann blickte Mara in die Augen, ruhig und intensiv. Mara spürte, wie er allein durch seine Anwesenheit ihren Schmerz durchbrach. In diesem Moment stellte sie sich vor, dass er alles über sie wusste. Wie ein Prophet hatte er die Macht, hinter die Fassade der Menschen zu blicken. Er verstand ihre Empfindungen. Eine Welle der Erleichterung schlug über ihr zusammen. Tränen traten ihr in die Augen und liefen ihr über die Wangen.
Menelik machte keine Bewegung auf sie zu. Er stellte auch keine Fragen und äußerte kein Wort des Trostes. Er stand einfach da und ließ sie weinen. Eine tiefe Ruhe übertrug sich von ihm auf sie. Nach und nach spürte Mara, wie sie ihr Heilung brachte.
Als die Tränen schließlich versiegten, nickte der alte Mann in Richtung der Lodge. »Es ist Zeit zu gehen«, sagte er. Er blickte sie sanft an, aber sein Tonfall war fest. Er wandte sich zum Gehen, blickte jedoch nach ein paar Schritten zurück, um sich zu vergewissern, dass Mara ihm folgte.
Mara zog den Gewehrgurt höher über die Schulter und ging hinter ihm her. Seine gleichmäßigen Schritte zogen sie vorwärts über den sonnenverbrannten Boden.
Sie gingen schweigend, und das einzige Geräusch waren ihre Schritte und die Schreie der Wasservögel. Bald erreichten sie die Stelle, wo die Piste zwischen die Bäume führte. Wieder drehte Menelik sich um und blickte Mara an. Auf seinem Gesicht lag die Andeutung eines Lächelns. Als er sprach, war seine Stimme stark und klar.
»Kesho ni siku nyingine«, sagte er.
Morgen wird ein neuer Tag sein.
17
Mara stand neben dem Loch für den Swimmingpool und sah zu, wie Carltons Bauarbeiter die rote Erde herausschaufelten. Die Männer arbeiteten schwer. Sie waren nackt bis zur Taille, und die Sonne brannte auf ihre schweißnassen Schultern. Die Grube war fast fertig: Die Seitenwände ragten steil und glatt empor, und alles war glatt und gerade. Bald würde der Beton hineingegossen werden. Mara versuchte, sich den blau gestrichenen Pool voll mit Wasser vorzustellen. Aber es kam ihr irreal vor, wie ein Traum, aus dem sie bald erwachen würde. Sie wandte sich von den Arbeitern ab und blickte über das Gelände der Lodge. Überall gab es Anzeichen, dass eine neue Ära begonnen hatte. In den zehn Tagen seit der Abreise der Filmcrew waren Tische und Bänke aus einheimischem Holz hergestellt worden, und sie hatten die Duschhütte erweitert. Drüben im Hof sah Mara den Dachfirst des neuen, größeren Hühnerhauses. Von der anderen Seite des Hauptgebäudes her ertönten Hammerschläge. Dort wurde die Aussichtsterrasse gebaut. Die Hütten-Boys, die mittlerweile von neuen Angestellten unterstützt wurden, arbeiteten rund um die Uhr in den Rondavels, um sie für den ersten Ansturm von Gästen vorzubereiten. Carlton hatte sie in Daressalam von einer anderen Reisegruppe abgeworben, und sie sollten bald eintreffen.
Ebenso wie John.
Heute früh hatte Kefa eine Nachricht über das reparierte Funkgerät erhalten. Der Bwana war in Kisaki, hatte er Mara berichtet. Er kam direkt aus den Selous nach Hause, wollte allerdings seinen Landrover
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