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Roter Hibiskus: Roman (German Edition)

Roter Hibiskus: Roman (German Edition)

Titel: Roter Hibiskus: Roman (German Edition)
Autoren: Katherine Scholes
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Carlton. Seine Stimme war laut und betont fröhlich. Sie passte zu den Farben seines buntgemusterten Hawaiihemds.
    Danach sprach niemand mehr. Bewegungen und Zeit schienen verlangsamt, formlos, als ob sie sich alle in einem Traum befänden.
    Und plötzlich waren sie draußen und gingen über das Grundstück. Carlton führte die kleine Prozession an, gefolgt von Leonard und Peter. Dann kam Mara, das Gewehr über der Schulter. Sie sah, wie sich Peters Füße vor ihr bewegten und fiel unwillkürlich in Gleichschritt mit ihm. Vage bemerkte sie, dass Menelik und Kefa hinter ihr waren, und auch die Hütten-Boys und die Küchen-Boys.
    Sie gingen unter dem Bogen hindurch, und die alten Stoßzähne wölbten sich über ihren Köpfen. Dann folgten sie der baumbestandenen Piste. Bald kamen sie zu der Stelle, wo der Pfad zum Aussichtspunkt führte. Peter zögerte kurz, als ob er die Richtung ändern wollte, aber dann ging er weiter.
    Zwischen den Bäumen kamen sie auf die Ebene. Alle blieben gleichzeitig stehen und blickten zum Himmel. Das Flugzeug war in Sicht: ein dunkler Vogel am blauen Himmel, der immer größer wurde.
    Die Stammesleute rannten schon über die Startbahn und schwenkten ihre Hirtenstöcke, um das Wild zu verjagen. Gänse flogen auf, und grasende Tiere – kleine Gazellen und zwei dik-diks – sprangen davon.
    Das Flugzeug kreiste einmal über die Lodge und flog tiefer. Mara hatte es noch nie zuvor gesehen: wie die Manyala-Landrover war es mit Zebrastreifen angemalt. Als sie den anderen zur Landebahn folgte, sah sie, wie der Pilot zu einer perfekten Landung ansetzte. Geschickt brachte er die Maschine zu Boden, und die Tragflächen bewegten sich kaum, als beide Räder zugleich auf der roten Erde aufsetzten.
    Das Flugzeug kam zum Stehen, aber die Propeller drehten sich weiter und wirbelten die heiße Luft auf. Als Mara vortrat, um den Piloten zu begrüßen, flogen ihr trockenes Gras und abgestorbene Blätter ins Gesicht. Sie kniff die Augen zusammen und drehte den Kopf zur Seite. Während sie noch darauf wartete, dass die Propeller sich langsamer drehten, öffnete sich die Pilotentür, und ein Mann stieg aus. Er winkte ihr mit einer zusammengefalteten Landkarte zu.
    »Ist das hier Raynor Lodge?«, rief er über dem Lärm des Motors. Als Mara nickte, verzog er erleichtert das Gesicht. »Ich bin neu in der Gegend.« Er hatte einen starken südafrikanischen Akzent. Er tippte auf das Zifferblatt einer großen, goldenen Armbanduhr an seinem Handgelenk. »Wir müssen sofort los.«
    Mara schüttelte entsetzt den Kopf, als ihr die Bedeutung seiner Worte aufging – wenn sie so hastig abflogen, konnten sie sich bei dem Lärm noch nicht einmal richtig Lebewohl sagen.
    »Ich habe einen engen Terminplan«, rief der Pilot. »Tut mir leid.«
    Mara starrte ihn einen Moment lang stumm an, dann gab sie den Hütten-Boys das Zeichen, das Gepäck zu bringen. Der Pilot wandte sich zu Leonard, Carlton und Peter und winkte ihnen ungeduldig. »Kommen Sie! Wir müssen los!« Peter blieb zurück, als Carlton und Leonard zum Flugzeug rannten.
    »Wenn Sie jemals nach L. A. kommen, müssen Sie uns unbedingt besuchen«, schrie Carlton, als er Mara erreichte.
    »Viel Glück bei allem!«, fügte Leonard hinzu.
    Sie schüttelten ihr beide die Hand. Die Geste fühlte sich hier draußen auf der Savanne, wo der Wind ihnen Staub ins Gesicht blies und an ihren Kleidern zerrte, seltsam und formell an. Sie winkten und lächelten Kefa, Menelik und den Boys zu, und dann eilten sie zur Passagiertür, wobei sie in der Nähe der Propeller unwillkürlich die Köpfe einzogen.
    Und dann stand Peter neben ihr. Mara starrte ihn an. Der Wind wehte ihm die Haare aus dem Gesicht, so dass es nackt und verletzlich wirkte.
    Eine Welle von Schmerz überflutete Mara, als sie ihm in die Augen blickte. Gleich würde sie auseinanderbrechen, der Schmerz würde sie zerreißen. Sie schlang die Arme um ihren Körper und rang um Fassung.
    Durch einen Tränenschleier sah sie, wie er ihr die Hand entgegenstreckte. Mechanisch reichte sie ihm ihre Hand, und dann schlossen sich seine Finger warm um ihre.
    Einen Moment lang umklammerten sich ihre Hände, als ob sie zu einer Einheit verschmelzen könnten.
    Dann ließ Peter sie los, und ihre Hand sank herab. Er wandte den Blick ab und rannte zur offenen Tür. Die Kamera schlug gegen seinen Oberschenkel, und der Wind drückte ihm das Hemd an den Körper.
    Als er den Fuß auf die erste Stufe setzte, blickte er noch mal über die Schulter.
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