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Roter Hibiskus: Roman (German Edition)

Roter Hibiskus: Roman (German Edition)

Titel: Roter Hibiskus: Roman (German Edition)
Autoren: Katherine Scholes
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da, in einem schlichten pastellfarbenen Sari, begleitet von ihrem Ehemann und einigen ihrer Verwandten. Eine ganze Gruppe war aus der Mission gekommen, darunter auch die gesamte Familie Hemden; die Mädchen drückten sich still und ängstlich an Helen. Viele Leute aus Kikuyu waren da, auch einige Regierungsbeamte, Abassi und einige seiner Angestellten aus dem Hotel, und natürlich auch Wallimohammed. Außerdem waren noch drei ältere Europäer anwesend, denen man die professionellen Jäger schon von weitem ansah. Mara überlegte, dass sie vielleicht fragen würden, ob sie für John auch eine Plakette mit dem Motto ihrer Vereinigung, Nec timor nec temeritas, anfertigen lassen sollten. Was würden sie wohl denken, wenn sie wüssten, dass weder Angst noch überstürztes Handeln John das Leben gekostet hatten, sondern nur der Wunsch, zu seinem Wort zu stehen.
    Mara spürte eine Hand auf ihrer Schulter.
    »Wir müssen beginnen.«
    Mara drehte sich zu den Trauergästen um, und der Pastor aus Kikuyu trat vor. Er las zunächst einen Psalm vor, wobei er jeden Vers zuerst auf Englisch, dann auf Swahili rezitierte. Dann folgte ein einfaches Gebet. Als er fertig war, klappte er sein Buch zu und steckte es unter den Arm. Die Leute wandten sich dem Sarg zu, in der Erwartung, dass er in die Grube hinabgelassen würde. Sie murmelten überrascht, als Mara stattdessen dem Gewehrträger zunickte. Der alte Mann trat vor, eine große, schlanke Gestalt in Khaki-Kleidung. Jetzt war er der Safarichronist. Er hob eine Hand und wies zum Horizont, als ob er John den Weg ins Jenseits weisen wollte. Und dann begann er mit erschreckend hoher Stimme klar und deutlich die Geschichte von Johns Leben zu singen.
    Als die letzten Worte des Chronisten in der stillen Morgenluft verklungen waren, hoben die Sargträger den Sarg von seinem Bett aus Bananenblättern und trugen ihn zur Grube. Als er mit dicken Sisalseilen hinuntergelassen wurde, begannen die afrikanischen Frauen zu jammern und zu schluchzen. Ihre Emotionen übertrugen sich auf die Menge, und die Schreie wurden lauter und verzweifelter. Sie trauerten nicht nur um John, wusste Mara, sondern es war eine Klage über allen Kummer im Leben – über die Verluste, die man erlitten hatte, und über die Leere, die etwas hinterlassen hatte, was nie war und nie sein würde. Mara öffnete sich für den gemeinsamen Schmerz, und als sie ihn mit ihrem eigenen vermischte, erfasste ein seltsamer Friede ihre Seele.

    Die Tische im Esszimmer waren übersät mit leeren Tassen und Tellern und Gläsern. Dazwischen standen sieben verzierte Silberplatten, auf denen noch Überreste der indischen Süßigkeiten und Häppchen lagen, die Bina mitgebracht hatte. Wespen krabbelten über die Zuckerstückchen.
    Als der letzte Gast gegangen war, begannen die Hütten-Boys aufzuräumen. Mara gesellte sich zu ihnen, aber als sie die Tassen zusammenstellen wollte, warfen sie ihr nervöse Blicke zu.
    »Sie sind müde, Memsahib«, sagte der Ältere der beiden.
    »Sie sollten sich ausruhen.«
    Mara lächelte, gerührt von ihrer Fürsorge. Allerdings spürte sie auch, dass sie ihre Rollen schützen wollten. Kefa sollte nicht sehen, dass die Memsahib ihnen bei ihren Pflichten half. Mara ging ins Wohnzimmer und setzte sich in einen Korbsessel. Sie ließ den Kopf an das Kissen sinken und schloss die Augen. Obwohl sie vor Erschöpfung wie betäubt war, konnte sie sich nicht vorstellen einzuschlafen. Das Adrenalin, das sie während der Beerdigung und dem anschließenden Empfang auf den Beinen gehalten hatte, pumpte immer noch durch ihre Adern. Die Gespräche, die sie geführt hatte, gingen ihr durch den Kopf.
    »Dann gehst du also wieder nach Australien«, hatte Bina gesagt, als ob einer Witwe gar nichts anderes übrigbliebe, als wieder zu ihrer Familie zurückzukehren. »Ich werde dich sehr vermissen.«
    »Kommen Sie doch zu uns in die Mission«, hatte Helen vorgeschlagen, als ob die Lodge nach Johns Tod nicht mehr ihr Zuhause wäre.
    »Dies ist nicht der richtige Zeitpunkt, um irgendwelche Entscheidungen zu treffen«, hatte Dr. Hemden gewarnt.
    Mara war sich bewusst gewesen, dass alle sie genau beobachteten. Alle glaubten, sie verstünden ihre Lage, dabei gab es ein Geheimnis, das nur sie kannte.
    Mara lehnte sich im Sessel zurück und stellte sich das Baby in ihrem Leib vor. Sie wusste, dass es Frauen gab, die auch nach Monaten noch nichts von ihrer Schwangerschaft ahnten, aber sie hatte nicht den leisesten Zweifel an ihrem
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