Roter Hibiskus: Roman (German Edition)
schrien und schwenkten die Arme, um eine Gazellenherde zu verscheuchen. Erschreckt flohen die Tiere, wobei sie hochsprangen und ihre Hinterläufe nach hinten wegstreckten – es sollte sorglos wirken, damit Raubtiere glaubten, sie wären keine leichte Beute.
Mara stand in der Nähe und blickte zu dem Flugzeug, das über ihren Köpfen kreiste. Als die Jungen am Ende der Bahn angekommen waren, begann es mit dem Landeanflug. Mara blickte zu den Dorfbewohnern, die in die Savanne gekommen waren, um bei der Landung zuzuschauen – hoffentlich verstanden sie, dass sie sich von dem Flugzeug fernhalten mussten, bis es vollständig zum Stehen gekommen war. Dann wandte sie ihre Aufmerksamkeit wieder der Landebahn zu. Sie konnte nur hoffen, dass keine Wurzeln oder Steine mehr herumlagen. Entschlossen wandte sie den Blick wieder ab, denn daran konnte sie jetzt auch nichts mehr ändern.
Stattdessen konzentrierte sie ihre Gedanken auf Lillian Lane – würde sie im wirklichen Leben genauso schön sein wie auf der Leinwand? Und was würde sie anhaben? Mara stellte sich vor, wie sie in einem langen Kleid, eine Stola um die Schultern, aus dem Flugzeug steigen würde. Aber sie wusste natürlich, dass Lillian Lane höchstwahrscheinlich ähnlich angezogen sein würde wie die anderen Frauen, die in die Lodge kamen. Die meisten trugen unweigerlich Safari-Anzüge, die ganz unpraktisch ihre Figur zur Geltung brachten, und Hüte, die sie in Nairobi oder Dar gekauft hatten – die Sorte, die von vornherein mit einem Leopardenband ausgestattet war.
Den ersten Blick auf das berühmte Gesicht erhaschte sie durch das kleine runde Fenster des Flugzeugs, das langsam ausrollte. Selbst aus der Ferne und trotz des Staubs, den die Räder aufwirbelten, war es nicht zu verkennen. Nervöse Erregung machte sich in Mara breit, während sie darauf wartete, dass die Propeller aufhörten, sich zu drehen.
Der Pilot sprang heraus und öffnete die Passagiertür. Lange Zeit passierte nichts. Dann kletterte Carlton heraus und reckte sich, als wäre er froh, der engen Kabine entkommen zu sein. Kurz darauf tauchte ein Fuß auf, elegant beschuht in einem gelben Wildlederstiefel, der bis zum Knie geschnürt war. Er hing in der Luft, bis er auf die Metallstufe traf. Ein zweiter Fuß folgte. Dann tauchte der Rest von Lillians Körper auf. Sie ergriff Carltons ausgestreckte Hand und trat auf den Boden, blieb stehen und blickte sich um. Sie winkte den Zuschauern, die daraufhin näher kamen. Ein Kind trat vor, einen riesigen Strauß weißer Lilien in der Hand.
Auch Mara trat näher, wobei sie versuchte, Lillian Lane nicht allzu sehr anzustarren. Wie erwartet trug sie einen khakifarbenen Safarianzug. Er bestand jedoch nicht aus einer Hose und einer engsitzenden Bluse, sondern er war wie ein Overall in einem Stück geschnitten und wurde in der Taille von einem Ledergürtel zusammengehalten. Sie trug keinen Hut, und ihre Haare hatte sie hinten im Nacken zu einem Knoten geschlungen. Ihre scharlachrot geschminkten Lippen leuchteten in ihrem blassen Gesicht.
Statt vom Flugzeug wegzugehen, trat Lillian zur Seite und drehte sich um, um in die Kabine zu schauen. Mara überlegte, ob sie vielleicht ihren Freund mitgebracht hatte – der Mann, der auf dem Foto mit ihr auf dem Deck der Yacht gestanden hatte. Zum Glück gab es zwei Betten in Lillians Rondavel. Sie konnten leicht zusammengeschoben und von einem Doppelnetz abgedeckt werden …
Aber die Person, die als Nächstes aus dem Flugzeug stieg, war ein Afrikaner. Seinem Barett und seiner grünen Uniform nach zu urteilen, musste es der Ranger aus Arusha sein. Er griff in das Innere der Kabine und zog eine schwere, doppelläufige Flinte heraus. Während Carlton und Lillian zuschauten, holte er zwei Patronen aus seiner Brusttasche und lud die Waffe. Erst dann wagten sie sich, den Ranger an ihrer Seite, aus dem Schatten der Tragflächen heraus.
Carlton hielt die Schauspielerin am Ellbogen. Er führte sie zu Mara, wobei er sich mit seinem rundlichen Körper unbeholfen über den unebenen Boden fortbewegte. Kaum bei Mara angekommen, stellte er sie vor.
»Lillian – das ist Mrs. Sutherland. Mrs. Sutherland – Miss Lane.«
Die Schauspielerin lächelte freundlich. Abgesehen vom Lippenstift, war sie ungeschminkt, wirkte aber trotzdem unglaublich glamourös. Der aufgestellte Kragen ihres Anzugs streifte die Spitze von baumelnden Perlenohrringen.
»Nennen Sie mich bitte Lillian«, sagte sie.
»Danke«, erwiderte Mara höflich.
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