Roter Hibiskus: Roman (German Edition)
»Das ist die chow -Hütte. Streuen Sie bitte Asche aus, wenn Sie sie benutzt haben, das hält die Fliegen ab. Der Eimer wird jeden Tag geleert.«
Maras Blick fiel auf die Handtücher, die an den Haken hingen. Sie waren – wie Carlton sie angewiesen hatte – alle im gleichen Mauveton: Handtuch, Waschlappen und Badetuch. In den Wäscheschränken der Lodge gab es keine vollständigen Handtuch-Sets – dieses hier war ein Hochzeitsgeschenk gewesen. Maras Tante Ade hatte sie eigenhändig mit His und Hers bestickt. Sie hatte sie Mara in der Küche gegeben – verstohlen, als ob sie, wie Lornas Hochzeitskleid, einen verschlüsselten Ausdruck der Rebellion gegen die Regeln der Welt, in der die Frauen lebten, darstellten. Mara hatte lange darüber nachgegrübelt, ob sie die Handtücher hier verwenden sollte – schließlich waren sie nur für John und sie gedacht gewesen. Aber jetzt, wo sie Lillian kennengelernt hatte, wusste sie, dass sie die richtige Entscheidung getroffen hatte. Wenn die Handtücher dazu beitrugen, dass sich die Schauspielerin hier wohler fühlte, durfte sie sie gerne benutzen.
Aber als sie sich wieder in den Hauptraum umdrehte, sah sie, dass Lillians Lächeln erloschen war und sie ihre Umgebung alarmiert betrachtete. Mara ließ sich ihr Erschrecken nicht anmerken und rief sich ins Gedächtnis, dass sie solche Reaktionen schon öfter erlebt hatte. Sie musste nur noch den letzten Teil ihrer Rede hinzufügen – den kleinen Satz, der dazu diente, den Gästen einen positiven Blick auf die Gegebenheiten zu ermöglichen. Sie zwang sich zu einem fröhlichen Tonfall. »Natürlich ist es hier nicht so, wie Sie es gewöhnt sind. Es ist nicht wie zu Hause. Das hier ist Afrika. Das wahre Afrika!«
Sie beobachtete die widerstreitenden Gefühle, die sich auf Lillians Gesicht spiegelten – der Kampf zwischen der Person, als die der Gast sich selbst kannte, und der Person, die er gerne werden wollte.
»Das wahre Afrika«, wiederholte Lillian. »Endlich …«
Mara sah, dass Carlton vor Erleichterung die Augen schloss. Leise verschwand er in Richtung der anderen Hütten. Da die Tür jetzt frei war, begannen die Hütten-Boys Lillians Gepäck hereinzubringen. Der erste Boy trug einen großen, zerbeulten Koffer in einer Hand und eine unförmige Gobelin-Reisetasche in der anderen. Der zweite Boy erschien mit drei weiteren Koffern – alle drei aus rotem Leder –, die er auf dem Kopf aufgetürmt hatte.
»Sollen sie Ihnen beim Auspacken helfen?«, fragte Mara.
»Mir wäre es lieber, Sie würden hierbleiben«, erwiderte Lillian. »Wenn Sie Zeit dazu haben …« Sie scheuchte die beiden Jungen bereits weg.
Mara blieb neben den Koffern stehen, bereit, Anweisungen entgegenzunehmen. Aber Lillian bedeutete ihr, sich zu setzen. Dann öffnete sie den ersten Koffer und nahm einen Parfümflakon heraus. Als sie sich ein wenig davon aufs Handgelenk tupfte, erfüllte der gleiche leichte, blumige Duft, den Mara bereits an ihr gerochen hatte, die Hütte.
»Mein Lieblingsparfüm«, sagte Lillian. » L’Air du Temps . Finden Sie nicht auch, dass allein schon die Flasche hinreißend schön ist?«
Sie reichte Mara den Flakon, damit sie den auffälligen Stöpsel aus mattiertem Glas bewundern konnte, der aus einem schnäbelnden Taubenpaar bestand.
Als Nächstes holte Lillian eine gerahmte Fotografie aus dem Koffer und drückte sie an die Brust. Sie stand ganz still und betrachtete das Bild liebevoll. Dann zeigte sie es Mara.
Maras Augen weiteten sich überrascht. Sie hatte das Foto eines Mannes erwartet – vielleicht des Mannes, den sie in der Zeitschrift gesehen hatte. Stattdessen zeigte das Bild einen Schäferhund.
»Das ist Theo«, sagte Lillian. »Er fehlt mir schrecklich. Für gewöhnlich reist er immer mit mir.« Sie seufzte. »Ich habe ernsthaft überlegt, ob ich die Rolle der Maggie ablehnen sollte, weil ich ihn nicht mitnehmen konnte. Aber man bekommt nicht jeden Tag die Chance, mit den Miller-Brüdern zu arbeiten. Im Vergleich zu den großen Studios machen sie sehr interessante Filme.« Sie lächelte Mara strahlend an. »Wissen Sie, sie haben die Rolle im Hinblick auf mich geschrieben.«
Mara erwiderte ihr Lächeln und nickte. Sie wusste nicht so recht, was sie sagen sollte, schließlich war sie an solche Gespräche nicht gewöhnt. Lillian holte einen Seidenpyjama aus dem Koffer und warf ihn hinter sich aufs Bett. Mara war klar, dass sie eigentlich darauf bestehen müsste zu helfen, aber es war so schön, einfach nur
Weitere Kostenlose Bücher