Roter Hibiskus: Roman (German Edition)
Bwana – des weißen Jägers. Sie war nicht so selbstbewusst.
Sie war froh, als sie schließlich alles gesagt hatte. Es wurde still im Zimmer, als sie sich wieder hinsetzte. Sie ergriff ihre Serviette und breitete sie auf dem Schoß aus. Mit gesenktem Kopf drehte sie das weiße Leinentuch zu einem Knoten.
»Wie können Sie sich das nur alles merken?«, fragte Peter leise. Seine Stimme klang freundlich. »Sie hatten ja nicht einmal Notizen.«
Jetzt, wo er die Stille durchbrochen hatte, begannen die Leute sich wieder zu unterhalten.
Mara lächelte ihn dankbar an. »Ach, ich hatte es schon ein paarmal gehört.«
»Da wir gerade von Vorsichtsmaßnahmen sprechen …« Lillian leerte ihr Glas und blickte ihre Gefährten an. »Wusstet ihr, dass Bogart bei den Dreharbeiten zu African Queen ständig Gin getrunken hat? Und damit meine ich ständig. Nun, es stimmt.« Sie erhob sich, winkte Kefa heran und hielt ihm ihr Glas entgegen. »Und wisst ihr, was? Er war der Einzige, der nicht krank geworden ist. Von jetzt an betrachte ich Gin als Medizin.«
»Medizin«, wiederholte Kefa. Er wandte sich an Mara und wiederholte das Wort auf Swahili, um sich zu vergewissern, ob er richtig verstanden hatte. »Dawa?«
Mara zuckte mit den Schultern. Die Übersetzung war korrekt, aber sie wollte nicht den Anschein erwecken, als unterstütze sie Lillians Behauptung. Manche Leute glaubten, das Chinin im Tonic Water würde gegen Malaria helfen – aber dass Gin vor Tropenkrankheiten schützen sollte, hatte sie noch nie gehört.
Als Kefa mit ihrem Drink zurückkam, verkündete Lillian, sie würde ihn mit in ihr Zimmer nehmen. Sie gähnte, wobei sie die glatten, manikürten Finger auf die Lippen drückte.
»Es war ein langer Tag.« Sie streckte Peter die Hand entgegen. »Liebling, willst du ein Engel sein und mich zu meinem Zimmer begleiten? Da draußen ist es schrecklich dunkel.«
Peter stand auf und entschuldigte sich bei Mara, Carlton und Leonard. »Aber natürlich.«
Lillian hakte sich bei ihm ein, als sie hinausgingen. Mara schaute ihnen nach. Zuerst glaubte sie, eine gewisse Zurückhaltung in Peters Verhalten zu spüren, aber dann sah sie ihn von der Seite an, als er Lillian an dem anderen Tisch vorbeisteuerte, und sie stellte fest, dass er entspannt und fröhlich lachte. In einer kurzen, aber intimen Geste legte Lillian ihren Kopf an seine Schulter. Einen Moment lang war Mara überrascht – beinahe schockiert. Aber dann sagte sie sich, dass nichts dabei war. Warum sollten sie sich nicht nahestehen? Sie lebten und arbeiteten doch schon seit Wochen zusammen. Und schließlich spielten sie ja auch die Rolle des Liebespaars auf der Leinwand.
Die beiden gingen hinaus auf die Veranda. Vom Licht angezogen flatterten Motten wie goldenes Konfetti über ihren Köpfen. Als sie in der Nacht verschwanden, ging es Mara plötzlich durch den Kopf, dass sie ja vielleicht tatsächlich ein Liebespaar waren. Vielleicht war das bei Leuten wie Lillian Lane und Peter Heath so. Jeder neue Film brachte eine neue Liebesaffäre. Und dann ging man wieder auseinander. Sie waren intelligent genug – stark genug –, um es nicht zu nahe an sich herankommen zu lassen …
Der Mond schien durch das Fenster und verlieh dem Licht der Kerosinlaterne einen kalten, blauen Schimmer. Mara hatte die Lampe an die Wand gehängt, damit sie das Zimmer ausreichend beleuchtete. Sie stand in einem kurzen Nachthemd aus schlichter weißer Baumwolle am Fenster. In der Hand hielt sie die Nachricht, die der Funker von der Mission ihr gegeben hatte. Sie glättete das Stück Papier und las Johns Nachricht noch einmal. Natürlich klangen Funk-nachrichten immer knapp: sie mussten schließlich klar und kurz sein. Aber trotzdem konnte sie die Kühle seiner Worte förmlich spüren – er war nicht nur räumlich weit weg.
Mara faltete das Blatt Papier wieder zusammen und blickte über die dunklen Formen des Gartens in die Ferne. Irgendwo dort draußen – quer durch das halbe Land – lag das Selous-Reservat. Und irgendwo in den fünfzigtausend Quadratkilometern wilden Buschlands war John.
Sie stellte sich vor, wie er am Lagerfeuer saß. Die Ellbogen auf die Knie gestützt, eine Blechtasse in den Händen. Schweigend würde er die Gespräche seiner Gefährten und das Singen der Träger auf der anderen Seite des Camps über sich ergehen lassen. Er wäre entspannt in dem Wissen, dass er das Lager gut gewählt hatte – auf einer offenen Fläche, geschützt von ein paar hohen Bäumen. Und
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