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Roter Hibiskus: Roman (German Edition)

Roter Hibiskus: Roman (German Edition)

Titel: Roter Hibiskus: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Katherine Scholes
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gesehen, die aus der Tasche hervorlugte.
    Die Fotos hatten sie zuerst nicht beunruhigt. Es war nicht unüblich, dass Kunden Abzüge von Fotos schickten – in der Erinnerung war ihre Safari in Afrika etwas ganz Besonderes gewesen, und sie stellten sich vor, dass sie in der Geschichte der Lodge eine einzigartige Rolle gespielt hatten. Für gewöhnlich wurden die Fotos an die Korkwand hinter der Bar gehängt, damit auch die anderen Kunden sie sehen konnten. Gelegentlich wurde ein Bild auch gerahmt und zu der Sammlung an der Wand hinzugefügt.
    Aber diese beiden Fotos hatte John versteckt. Und auf dem Umschlag, in dem sie waren, standen nur zwei Worte – für John . Es gab keine Adresse oder Briefmarke; der Umschlag war persönlich übergeben worden.
    Dann hatte Mara den Brief gesehen. Bevor sich überhaupt Fragen in ihrem Kopf bilden konnten, hatte sie das einzelne Blatt Papier mit dem Briefkopf der Raynor Lodge schon entfaltet.
    Die Wörter waren ihr vor den Augen verschwommen – klar und deutlich sah sie die Sätze, und dann verschwand alles im Nebel des Schocks.
    Eine Nacht, an die wir immer denken werden … Obwohl wir uns nie wieder begegnen werden, werde ich mich immer an deine Hände auf meinem Körper, deine Lippen in meinen Haaren erinnern … lass uns nicht von Liebe sprechen, denn wir sind ja einander noch fremd – und doch wird es nie wieder etwas so Kostbares, so Wahres geben …
    Sie hatte ganz still dagestanden, das Papier in den zitternden Händen, so dass die Wörter sich bewegten – die Wörter, die eine so große Bedeutung hatten. Sie hatte das Gefühl gehabt, ihr würde die Luft aus den Lungen gequetscht. Ihre Beine hatten nachgegeben, und der Schmerz war wie ein Schwerthieb in ihre Seele gedrungen.
    Das war vor fünf Monaten gewesen. Vor fünf Monaten, drei Tagen und einer Nacht.
    Seitdem hatte Mara unzählige Male jeden Schritt dieses Alptraums durchlebt. Zuerst hatte sie es nicht glauben wollen. Es schien ihr unmöglich, dass John seine goldene Regel gebrochen haben könnte. Raynor hatte ihm diese Regel als die wichtigste beigebracht – man vermietete seine Dienste als Jäger, aber nie als Mensch. Es gab eine Linie, die man nicht übertreten durfte.
    Aber er hatte es getan. Er hatte …
    Dann hatte sie angefangen, zurückzublicken und bestimmte Szenen im Geiste noch einmal abzuspielen. Sie hatte versucht, sie im Licht dessen, was sie jetzt wusste, neu zu interpretieren.
    Sie erinnerte sich gut an Matildas Ankunft in der Lodge. Sie war mit ihrem Vater gekommen. Mara hatte ihnen die Engländer angesehen, noch bevor sie die Begrüßungsformel ausgesprochen hatten.
    Am Abend vor der Safari hatte das Abendessen in der Lodge stattgefunden. Mara hatte eigentlich erwartet, dass Matilda – wie es die weiblichen Gäste für gewöhnlich taten – im Abendkleid erscheinen würde. Aber sie hatte ein einfaches, knielanges Kleid getragen, in dem sie auf unerklärliche Weise sogar noch glamouröser ausgesehen hatte.
    Am stärksten erinnerte Mara sich jedoch an den Morgen, als Matilda und ihr Vater mit John zur Safari aufgebrochen waren. Es wurde gerade hell, und die Bäume um die Lodge ragten wie Schattenrisse in den rosigen Himmel. Es war die stille Stunde vor Sonnenaufgang. Bald würde die Sonne wie ein goldener Ball am Himmel stehen und ihr Licht über die Savanne ergießen. Die Luft war erfüllt von unterschwelliger Erregung, als die Leute sich auf den Aufbruch vorbereiteten. Menelik stand mit seinen Kochutensilien neben dem Landrover und überwachte Dudu, der hin und her lief und Vorräte aus der Küche anschleppte – Flaschen, Säcke, Eimer und Dosen. Kefa zählte die Feldbetten, die Zeltsäcke, Moskitonetze, das Bettzeug, die Lampen, die Waschbecken. Der Gewehrträger kontrollierte die Waffen und stellte sie anschließend auf den Gewehrständer hinten auf dem Wagen.
    Matilda kam hinzu, in der Hand einen warmen Kuchen vom Frühstücksbüfett. Ihr Vater folgte ihr. Er knöpfte noch die Schulterklappen seines Buschhemds zu, und an seinen Bewegungen erkannte Mara die Anspannung eines Mannes, der zwischen Erregung und Furcht schwankt. Er war ein erfahrener Jäger und wusste, was ihnen bevorstand.
    Mara lächelte, als Matilda auf sie zukam. Sie roch den sauberen Duft von Matildas Seife.
    »Wie können Sie es nur ertragen, zurückzubleiben!«, sagte Matilda. Sie hatte den gleichen Akzent wie John, und genau wie er formte sie jedes Wort einzeln, bevor sie es aus dem Mund ließ. »Möchten Sie nicht lieber

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