Roter Hibiskus: Roman (German Edition)
Lillians Haare gleiten. Nach und nach wurde das Gesicht der Frau weicher, und die Falten verschwanden.
»Erzählen Sie mir etwas von sich«, sagte Lillian. Ihre Stimme klang verträumt wie die eines kleinen Mädchens, das um eine Gutenachtgeschichte bittet. »Wie lange sind Sie schon verheiratet?«
»Drei Jahre.«
»Und, sind Sie glücklich?«
Mara hielt mitten in der Bewegung inne. Die Frage überraschte sie, aber sie wirkte eigentlich nicht unangebracht. Wieder empfand sie die tiefe Intimität, die sie umgab. Das Rondavel mit seinen sanften, runden Lehmwänden kam ihr vor wie ihre eigene private Welt; und sie waren nur zwei ganz gewöhnliche Menschen, die sich darin aufhielten. Zwei Freundinnen. Einen Moment lang stellte sich Mara vor, dass sie Lillian alles erzählte – nicht nur von den finanziellen Problemen mit der Lodge, sondern auch von ihrer Unfähigkeit, eine richtige Jägersfrau zu sein wie Alice, oder sogar davon, dass sie sich jetzt die Zukunft nicht mehr vorstellen konnte. Sie überlegte sogar, ob sie ihr von Matilda erzählen sollte.
Stattdessen zwang sie sich zu lächeln. »Natürlich bin ich glücklich«, sagte sie. Ihr Tonfall sollte leicht, aber entschieden klingen, und sie warf Lillian einen Blick zu, um zu sehen, ob ihr das gelungen war.
»Ich heirate nie«, erklärte Lillian. »Ich begreife nicht, warum man sich unbedingt für einen einzigen Mann entscheiden muss, wenn es doch eine ganze Welt davon gibt.« Sie öffnete die Augen und wandte leicht den Kopf, um Mara anzublicken. »Und außerdem« – ihre Stimme wurde sachlich – »kann man Karriere und Ehemann nicht unter einen Hut bringen. Nicht in unserer Branche.«
Mara ergriff eine weitere glänzende Haarsträhne und begann sie zu bürsten. »Ist es bei Schauspielern denn anders?«, fragte sie.
Lillian nickte heftig. »Natürlich. Was denken Sie denn? Bei Männern ist alles anders.«
»Ja, das stimmt vermutlich.« Mara nickte. In Afrika war es jedenfalls so – für Europäer ebenso wie für Afrikaner. Bina war eine der wenigen Frauen, deren Lebensumstände auf einen anderen Status quo schließen ließen. »Peter ist schließlich verheiratet.«
»Ja, darauf können Sie Gift nehmen«, erwiderte Lillian. »Er ist berühmt dafür, verheiratet zu sein.«
»Wie meinen Sie das?«, fragte Mara.
»Er hat mit den schönsten Frauen in Hollywood gedreht, und in all diesen Jahren hat es nie irgendwelche Klatschgeschichten gegeben, nie auch nur den kleinsten Skandal.« Lillians Augen weiteten sich, als ob die Tatsache sie immer wieder von neuem überraschen würde. »Er übertritt einfach nie die Grenze. Wenn er es täte, würde es jeder wissen, das können Sie mir glauben – in Hollywood gibt es keine Geheimnisse.«
Mara betrachtete die Haarbürste – das gelblich bernstein-farbene Muster in dem dunklen Schildpatt. Sie spürte, dass Lillian auf ihren Kommentar wartete. Aber sie fürchtete, ihre Stimme würde sie verraten, und die andere Frau könnte ihre ganze Geschichte aus ihrer Antwort erkennen. Sie war sich mittlerweile sicher, dass sie das auf keinen Fall wollte. Es sollte nie jemand erfahren, was John ihr angetan hatte – ihre offene Wunde sollte niemand sehen. Das Schandmal einer Frau, deren Mann sie nicht genug liebte.
8
Die Stelle, die Leonard ausgesucht hatte, war mit einem kleinen Stück orangefarbenen Felsen markiert und lag auf der harten, ausgedörrten Erde, auf der nur wenige Büschel Gras wuchsen.
»Stellen Sie sich genau hierhin«, wies er Mara an. »Das ist Ihre erste Position. Wenn ich rufe Action, warten Sie noch sechs Sekunden und schauen in diese Richtung.« Er machte eine weitausholende Handbewegung zu dem Tal hin, das sich unterhalb von ihnen erstreckte. »Dann gehen Sie langsam am Hügel entlang zu diesem großen, alten Baum. Sie haben es nicht eilig; sie sind in Gedanken versunken. Wenn Sie in den Schatten treten, warten Sie einen Moment, dann nehmen Sie Ihren Hut ab und schütteln Ihre Haare aus. Haben Sie das verstanden?«
Mara nickte. »Ich glaube schon.«
»Nun, keine Sorge, das ist ein stummer Take – ich gebe Ihnen die Anweisungen.« Er hielt sein zerbeultes Megaphon hoch. »Okay. Dann mal los.«
Mara blickte der großen Gestalt in der roten Latzhose nach, als er den Hügel an einer ausgetrockneten Wasserrinne entlangstolperte. Er sprang mit einem einzigen Satz über die Rinne und lief zu seiner Crew, die sich um die Kamera versammelt hatte. Sie sahen aus wie eine seltsame Tierherde – sie passten
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