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Roter Hibiskus: Roman (German Edition)

Roter Hibiskus: Roman (German Edition)

Titel: Roter Hibiskus: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Katherine Scholes
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ihrer Zufriedenheit ausgespült waren, wickelte Mara das mauvefarbene Handtuch wie einen Turban um Lillians Kopf. Sie wollte ihr so viel helfen, wie sie konnte, da ihr klar war, dass das Badezimmer nicht dem Standard entsprach, an den Lillian gewöhnt war. Mara hatte überlegt, ob sie der Schauspielerin anbieten sollte, Johns und ihr Badezimmer zu benutzen. Es war (neben der Küche) der einzige Ort in der Lodge, wo es fließend warmes und kaltes Wasser gab. Aber private und öffentliche Räume waren auf Raynor Lodge streng getrennt. John hatte Mara erklärt, wie wichtig es war, eine professionelle Distanz zu den Kunden zu wahren. Wenn erst einmal die Grenzen verwischten, standen auch die Beziehungen in Frage. In manchen Lodges sah man das als normale Situation an; es gab Orte – hier in Tansania wie auch in anderen Teilen von Safariland –, wo Gäste damit rechnen konnten, in Unterkünften zu wohnen, die sie aus den Romanen von Hemingway oder aus den Hollywood-filmen, die auf diesen Romanen basierten, kannten. In so einer Umgebung hielt man es für selbstverständlich, dass der weiße Jäger nicht nur ein Experte für Großwild war, sondern auch einer bei der Jagd auf Frauen. Weibliche Kunden hatten oft das Gefühl, die Safari sei erst ein Erfolg gewesen, wenn sie eine Affäre mit jemandem hatten – vorzugsweise mit dem professionellen Jäger. Raynor hatte dieses Verhalten immer verachtet. Laut John hatte er sich nie so benommen, und er hatte auch klar und deutlich gemacht, dass er dasselbe von seinem Lehrling erwartete.
    Mara presste die Lippen zusammen. Was hätte Raynor wohl über John und Matilda gesagt?
    »Woran denken Sie?«, fragte Lillian. Sie trank einen Schluck und betrachtete sie forschend. »Sie sehen unglücklich aus.«
    Mara zwang sich zu einem Lächeln. »O nein – ich habe nur gerade an den Film gedacht. Was passiert eigentlich in der Geschichte?«
    Ein Schatten der Enttäuschung glitt über Lillians Gesicht, aber dann zeigte sie verhaltenen Enthusiasmus. »Es ist ein Thriller – also ein Film, der normalerweise in einer Stadt spielen würde, in Paris oder New York. Darum geht es Leonard vor allem, wissen Sie – das Überraschungsmoment, dass er in Afrika spielt. Es ist ein wundervolles Drehbuch.«
    »Mir gefällt Ihre Figur, die Maggie. Wie sie spricht. Sie ist so stark und mutig.«
    Lillian schnaubte. »Sie ist eine Idiotin.«
    Überrascht und verwirrt runzelte Mara die Stirn. Sie dachte an die Szene mit dem Streit zwischen Maggie und Luke: die Leidenschaft, der Mut und die Sicherheit, das Richtige zu tun. »Sie meinen, Sie sind nicht einverstanden mit dem, was Maggie gesagt hat?«
    »Überhaupt nicht – ständig redet sie nur davon, das Richtige tun zu müssen«, erwiderte Lillian. »Sie sollte besser auf sich aufpassen! Das tut doch jeder! So funktioniert die Welt eben.«
    »Aber Sie haben so … so real geklungen.«
    Lillian lachte. »Mara, ich bin Schauspielerin. Das ist mein Beruf.«
    »Aber wie machen Sie das? Wie können Sie echte Tränen vergießen, wenn Sie nichts empfinden?«
    »Nun, ich weiß nicht, wie andere Leute es machen, aber ich blicke auf mein eigenes Leben zurück, und da finde ich immer etwas, das zu der Emotion passt, die ich darstellen möchte. Und daraus nehme ich sie dann. Ich bringe einfach Erinnerung und Darstellung zusammen. Es funktioniert immer.«
    Lillian ergriff eine Nagelfeile und begann nonchalant, an einem ihrer Nägel zu feilen. Mara beobachtete sie und fragte sich, welche Quelle voller Schmerz und Wut Lillian wohl angezapft hatte, als Maggie vor Luke geweint hatte. In der Stille, die sie umgab, hatte Mara beinahe das Gefühl, Lillian das fragen zu können – die Luft war warm, die Intimität des Haarewaschens, Gespräche über Tränen. Aber dann rief sie sich ins Gedächtnis, mit wem sie hier zusammen war.
    Lillian legte die Nagelfeile weg und griff nach einer Haarbürste aus Schildpatt. Sie reichte sie Mara. »Könnten Sie mir die Haare bürsten?« Ihre Stimme klang nicht so befehlsgewohnt wie sonst, eher flehend.
    Mara ergriff eine lange Strähne nach der anderen und bürstete sie mit ruhigen, stetigen Bewegungen.
    »Das hat meine Momma immer gemacht«, murmelte Lillian. Sie schloss die Augen und ließ die Arme sinken. Aber sie wirkte trotzdem nicht entspannt. Die Muskeln um ihre Augen waren angespannt, und eine Falte erschien auf ihrer Stirn. »Hören Sie nicht auf«, sagte sie. »Bürsten Sie einfach weiter.«
    Mara ließ die Bürste langsam durch

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