Roter Hibiskus: Roman (German Edition)
Bauch und massierte die Seife in ihre Haut. Ihr ganzer Körper prickelte, und sie fühlte sich seltsam lebendig. Die kreisförmigen Bewegungen vermittelten ihr ein sinnliches Gefühl von Luxus.
Sie schloss die Augen und atmete den Duft tief ein. Einen kurzen Augenblick lang stellte sie sich vor, sie wäre nicht mehr Mara Sutherland, die Frau des Jägers. Stattdessen wäre sie ein behütetes Geschöpf, das in einer Welt voller Luxus und Liebe lebte. Jemand wie Lillian. Sie könnte gehen, wohin sie wollte, und tun, was ihr beliebte. Sie könnte sich in einen attraktiven Fremden verlieben.
Nicht in einen verheirateten Mann wie Peter Heath. Nein. Nicht in Peter. Aber in jemanden, der ihm ähnlich war … Mara rieb sich mit den Händen übers Gesicht, als wollte sie das Bild wegwischen. Streng rief sie sich ins Gedächtnis, wer sie tatsächlich war. Die Memsahib von Raynor Lodge. Der Gedanke brachte sie zum Lächeln, als sie an die Begegnung mit Menelik dachte, die sie eben gehabt hatte. Es war nicht so schlimm gewesen, wie sie befürchtet hatte. Statt kalt und missbilligend zu reagieren, hatte er Mara un gläubig angestarrt – und war dann in lautes Lachen ausgebrochen. Der Küchen-Boy und der Brennholz-Boy, die daneben standen, waren zuerst erstarrt, folgten dann aber seinem Beispiel. Mara wusste, dass Afrikaner manchmal aus Verlegenheit lachten, oder auch aus Mitgefühl, und sie war sich nicht ganz sicher, wie sie die Szene auffassen sollte. Aber schließlich stimmte sie auch in das Lachen ein, und sie konnte förmlich spüren, wie sich die Anspannung löste. Und ihre Erleichterung wuchs noch, als sie sah, dass Menelik die Vorbereitungen für das Abendessen anscheinend gut im Griff hatte. Selbst Lillians kleine Schälchen standen schon bereit. Offensichtlich verlief alles ruhig und organisiert.
Mara ließ die Hände durch das Wasser gleiten, atmete langsam aus und entspannte sich. Im Moment brauchte sie sich um nichts Sorgen zu machen, sondern konnte einfach das friedliche Intermezzo genießen.
Mara ging zu den Rundhütten, um Lillian die Seife zurückzubringen. Sie war sich nicht sicher, ob es eine Leihgabe oder ein Geschenk gewesen war – aber sie wollte sie auf jeden Fall zurückgeben. Vielleicht war es ja das einzige Stück, das Lillian mitgebracht hatte. Und jetzt, nachdem Mara die cremige Seife benutzt hatte, wusste sie, dass weder Palmolive noch Lifebuoy geeignete Alternativen waren.
Kerosinlaternen hingen in den Bäumen und spendeten zusätzlich Helligkeit zu dem Licht, das vom Hauptgebäude auf den Weg fiel. Mara blickte an sich herunter – die Bluse und der Rock waren noch ungewohnt für sie. Es waren die neuen Sachen, die Bina genäht hatte. Als sie eben aus der Badewanne gestiegen war – sauber und nach dem exotischen Duft riechend –, hatte sie spontan beschlossen, zum Abendessen die neuen Sachen zu tragen. Schließlich war es ein besonderer Anlass. Zum ersten Mal wurde auf Raynor Lodge ein tansanisches Festessen serviert.
Mara bedauerte, dass sie keinen Frisiertisch hatte. Um zu sehen, wie die Kleider ihr standen, hatte sie sich wieder mit dem Handspiegel behelfen müssen, den sie wie eine kleine Kamera um ihren Körper herumführte. Nach dem zu urteilen, was sie so zu sehen bekam, war das Outfit jedoch ein Erfolg. Der Stil passte zu ihr, und der Stoff – bedruckt in sonnigen Erdfarben – war sogar noch schöner, als sie ihn in Erinnerung gehabt hatte. Sie fand, sie sah aus wie aus einem Kindermärchen entsprungen: der Geist der Savanne . Und sie verkörperte nicht die ausgedörrte Landschaft in der Trockenzeit, sondern die nach den ersten kurzen Regenfällen, wenn ein grüner Hauch über den Ebenen lag und neues Leben versprach.
Sie trug die Schuhe mit den hohen Absätzen, die sie für ihre Hochzeit nach Afrika mitgebracht hatte. Sie hatte sie beim Lederhändler in ein helles Braun umfärben lassen, und jetzt passten sie perfekt zu ihren neuen Sachen.
Langsam ging Mara den Weg entlang. Die weichen Falten des Rocks schwangen um ihre Beine, ihre frisch gewaschenen Haare fielen ihr über die Schultern. Sie blickte zum Nachthimmel empor, an dem die Sterne funkelten, und blieb stehen, um nach dem einzigen Sternbild Ausschau zu halten, dessen afrikanischen Namen sie kannte. Mapacha – die Zwillinge.
Sie hätte den Augenblick, in dem sie spürte, dass sie beobachtet wurde, nicht genau bestimmen können – die Wahrnehmung stellte sich unmerklich ein, so wie der Himmel im Morgengrauen heller
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