Roter Hibiskus: Roman (German Edition)
Erneut schloss sie die Augen und sank in die Kissen, als wollte sie am liebsten verschwinden. Die Tränen, die ihr übers Gesicht strömten, verschmierten das rote Antiseptikum auf den Schnittwunden, so dass die Verletzungen noch schlimmer aussahen, als sie ohnehin schon waren.
Als Mara auf das verwüstete Gesicht blickte, hatte sie das Gefühl, Lillians innere Wunden zu sehen, die an die Oberfläche gekommen waren – es waren die Wunden, aus denen Lillian ihre Schauspielkunst nährte, aber sie hatten sie auch in den Alkoholismus getrieben – ein bemitleidenswerter Anblick. Mara schnürte es die Kehle zu. Sanft streichelte sie über die unverletzte Hälfte von Lillians Gesicht und über den mädchenhaften Zopf.
»Schscht, machen Sie sich keine Sorgen. Machen Sie sich um nichts Sorgen«, sagte sie beruhigend. »Es wird alles gut.« Sie blickte Carlton auffordernd an, damit auch er Lillian beruhigte.
»Ja, natürlich«, sagte er. »Wir überlegen uns etwas. Ich rufe sofort in L. A. an und verhandle wegen einer Verlängerung.«
Verlängerung.
Schuldbewusste Freude stieg in Mara auf. Einen verrückten Moment lang stellte sie sich vor, dass die Filmcrew in der Lodge bliebe und wartete, bis Lillian wieder gesund war. Aber das würde natürlich viele Wochen dauern. Wahrscheinlich würden sie nach Hause fliegen – und dann wiederkommen.
Auf jeden Fall würde Peter noch ein wenig länger in ihrem Leben bleiben.
»Müssen noch Sachen aus der Lodge geholt werden, die mit ins Flugzeug sollen?«, unterbrach der Arzt Maras Gedanken.
Mara schüttelte den Kopf. »Nein, sie bleibt hier. Ich habe jemanden gefunden, der hilft, sie zu pflegen.«
»Das ging aber schnell«, erwiderte Dr. Hemden. Er gab nicht zu erkennen, ob er eine Ahnung hatte, dass seine Frau involviert war. »In diesem Fall schlage ich vor, Sie kommen morgen wieder. Meine Patientin braucht jetzt Ruhe. Sie muss allein sein.«
Sein Tonfall klang fest und sicher, als ob er genau wüsste, was für ein Mensch Lillian war. Seine Worte schienen über den Kontext hinaus eine Bedeutung zu haben.
Sie braucht Ruhe, um gesund zu werden. Sie muss für eine Weile ihrem Leben entfliehen.
Mara lächelte ihn dankbar an. »Danke.«
Carlton und sie verabschiedeten sich von Lillian und gingen hinaus. Die ruhige Art des Arztes ließ Mara ihre Umgebung in einem neuen Licht sehen. Der kahle weiße Raum war nicht mehr nur das Krankenzimmer, in dem Lillians Verletzungen behandelt wurden, sondern auch eine Zuflucht, in der die Schauspielerin vielleicht endlich Frieden finden würde – sicher vor all den Anforderungen ihrer Welt.
Sie gingen zum Landrover zurück. Kefa und der Spurensucher warteten dort auf sie. Sie unterhielten sich angeregt mit der Krankenschwester, die die chirurgischen Instrumente abgekocht hatte. Die Sonne brannte heiß vom Himmel. Mara merkte, dass Carlton steif wie ein Roboter neben ihr herging.
Plötzlich blieb er abrupt stehen.
»Nun, das war es dann«, sagte er. Sein Gesicht war eine Maske der Verzweiflung. »Und wir waren schon so nahe dran.«
Mara blickte ihn verwirrt an. »Wie meinen Sie das?«
»Wir sind fertig. Es kann ja nicht weitergehen.«
»Aber – Sie haben doch gesagt, Sie arrangieren eine Verlängerung – Sie wollten doch in L. A. anrufen.«
Carlton machte eine Handbewegung zum Klinikgebäude hin. »Irgendetwas musste ich ja sagen. Tatsache ist, dass ich keine Versicherung habe, mit der ich diesen Fall abdecken kann.« Er lachte bitter. »Wenn es am Wetter oder an einem anderen Unfall gelegen hätte – dann wäre es okay, dann hätte ich Anspruch auf die zusätzlichen Kosten für einen späteren Dreh. Aber bei Lillian gab es eine Ausschlussklausel.« Er schwieg. Als er fortfuhr, klang er so, als gäbe er den Wortlaut der Versicherung wider. »Der Versicherer übernimmt keine Haftung für Unfälle oder Schäden, die durch den Alkoholmissbrauch der versicherten Person entstanden sind.« Carlton schüttelte den Kopf. »Es war natürlich ein Risiko, sie zu engagieren. Aber sie war die richtige Person für Maggie – das hat sie bewiesen. Und ich wollte ihr auch wieder Arbeit geben. Ich habe wirklich geglaubt, dass es gutgehen würde.«
Carlton sprach leise, mehr zu sich selbst als zu Mara. Während sie ihm zuhörte, wurde Mara klar, dass er jetzt wirklich geschlagen war. Die ganze Zeit über war sie sich zwar vage bewusst gewesen, was Lillians Zustand für den Film bedeutete, aber irgendwie hatte sie erwartet, dass Carlton einen Plan
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