Roter Hibiskus: Roman (German Edition)
ergriffen hätte. »Ich bin sogar allmählich der Überzeugung, dass der Film so viel interessanter wird, als wenn wir ihn auf die übliche Art drehen würden. Das Publikum wird die Szene wie durch einen Schleier sehen. Der Stil spiegelt das Motiv des Films – es geht nur um verborgene, geheime Dinge.«
Abrupt wandte er sich an Peter. »Was hältst du davon?«
Peter schwieg einen langen Moment. »Es sollte mir eigentlich leichtfallen, ja zu sagen«, erwiderte er schließlich. »Es ist mein Job, und ich habe so etwas schon oft gemacht. Aber Mara ist keine Schauspielerin. Dadurch wird es für uns beide anders.«
»Das muss aber nicht unbedingt sein«, widersprach Leonard. »Manchmal sind ja auch Schauspieler unerfahren, und manchmal sind sie alte Hasen. Den Job können sie gleich gut machen. Und Mara hat ja Maggie bereits gespielt. Jetzt geht es nur noch einen Schritt weiter.«
Peter nickte langsam. Mara sah ihm an, dass er innerlich mit der gleichen Frage kämpfte wie sie. Konnten sie spielen, dass sie sich liebten, ohne dass es real wurde?
Sie werden sich küssen. Sie werden sich berühren. All das wird passieren …
Sie rief sich ins Gedächtnis, was Leonard gesagt hatte. Es würde alles in einzelne Aufnahmen aufgeteilt, bei denen ein Moment vom nächsten getrennt war.
»Lasst euch Zeit mit der Entscheidung«, sagte Leonard zu ihnen beiden. »Wir haben keine Eile, und ich möchte euch nicht unter Druck setzen.« Er steckte die Hände in die Taschen, als wolle er seine Energie dort festhalten.
Mara ging ein paar Schritte und trat hinter eine Bougainvillea, die sie vor neugierigen Blicken verbarg. Sie blickte über das Land der Lodge. Zwei kleine Jungen hüteten eine Herde von braunen und weißen Ziegen. Ruhig versuchte sie die Faktoren, die sie berücksichtigen musste, gegeneinander abzuwägen. Auf der einen Seite lag in der Waagschale die Zukunft von Leonards Meisterwerk; der Film, auf den er so unendlich viel Mühe verwandt hatte. Die berufliche Zukunft von Carlton und Leonard hing davon ab. Und auch Lillians Karriere. Und dann noch Rudis Traum, für immer mit dem Taxifahren aufhören zu können. Und die Rettung des Miller’schen Familienbesitzes Raven Hills.
Auf der anderen Seite lagen in der Waagschale alle Gründe, warum Mara Leonards Vorschlag ablehnen sollte. Sie versuchte, diese Gründe genau zu bestimmen, aber ihre Gedanken entglitten ihr immer wieder. Anstelle der Wörter fielen ihr Gesichter ein; sie sah John, Matilda, Paula und die Kinder. Und Peter. Sie versuchte sich vorzustellen, wie jeder Einzelne von ihnen ihre Entscheidung beeinflussen könnte. Aber das Gesicht, das sie immer wieder vor sich sah, war ein anderes.
Es war ihr eigenes.
Es war ein fröhliches, starkes Gesicht – mit glänzenden Augen, die Lippen zu einem Lächeln verzogen.
Langsam ging sie zurück zu Leonard und Peter.
»Und, haben Sie Ihre Entscheidung getroffen, Mara?«, fragte Leonard, als sie näher kam.
Drängend hing die Frage in der Luft. Aber Mara mied Leonards Blick und wandte sich stattdessen an Peter. Ihre Blicke begegneten sich. Plötzlich war sie sich ihrer Antwort so sicher wie noch nie in ihrem Leben. Ihre Stimme war fest und klar, als sie sagte: »Ja, ich werde es tun.«
Ich will mit Luke zusammen sein.
Peters Augen waren so tief und still wie ein Brunnen. Er holte langsam Luft. »Ich auch.«
Leonard schloss erleichtert die Augen. Dann lächelte er und wirkte auf einmal viel jünger. »Dann lasst uns sofort an die Arbeit gehen. Ich bin bereit.«
Das Kleid war lang und rot und aus einem edlen, seidigen Stoff. Es raschelte leise, als Mara es über den Kopf zog. Es roch überhaupt nicht nach Lillians Parfüm – das Kleidungsstück war gerade erst aus der Schachtel genommen worden. Zerknülltes Seidenpapier lag auf dem nackten Lehmboden, auch ein handgeschriebenes Etikett, auf dem »Maggie« stand. Mara wand sich, um das Kleid über ihren Körper zu ziehen; obwohl sie erst vor einer Stunde geduscht hatte, war ihr schon wieder der Schweiß ausgebrochen, und der Stoff klebte an ihrer Haut. Aber schließlich gelang es ihr. Das Kleid passte perfekt, als ob es speziell für sie gemacht worden wäre.
Sie stand allein mitten in der Grashütte, barfuß auf einer Sisalmatte. Es drang nicht viel Licht herein – Leonard hatte die Tür hinter sich geschlossen, als er gegangen war, und es gab nur ein kleines Fenster –, aber sie konnte sehen, dass ein paar Ausrüstungsgegenstände sich bereits an Ort und Stelle
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