Roter Lampion
Horizont flimmerte ein unübersehbares Lichtermeer, über dem an verschiedenen Stellen die für Hydrierwerke typischen rötlichen Flammen wehten.
Margit Holstein, die an diesem Abend ein Cocktailkleid aus türkisfarbener Seide trug, wies in die Ferne und sagte an Gordon Cooper gewandt: »Wie gütig die Nacht doch ist. Aus scheußlichen Industrieanlagen macht sie faszinierende Lichtgebilde.«
»Und aus alten Weibern junge Mädchen«, ergänzte er sarkastisch und schob die Hände in die Taschen seines weißen Dinnerjacketts.
Im ersten Moment wollte sie aufbegehren, doch dann erwiderte sie überlegen: »Intelligent ist nur, wer das Wahre erkennt.«
Cooper krümmte sich, als habe er einen Schlag erhalten. »Der Hieb sitzt so sehr, daß ich dich bitten möchte, meine dumme Bemerkung mit einem Kuß wettmachen zu dürfen.«
»Interessant, wie du Intelligenz durch Raffinesse ersetzt«, entgegnete sie belustigt.
Cooper schloß sie in die Arme.
Sie drängte ihn zurück. »Das habe ich dir nicht gestattet!«
Auf der Kommandobrücke wurde ein Scheinwerfer eingeschaltet, dessen Lichtkegel sich langsam auf die herabgelassene Gangway richtete.
Gordon Cooper stützte seine Arme auf die Reling. »Es geht los! Mister Sorokin wird in wenigen Minuten ohne Netz und doppelten Boden auf einen fahrenden Ozeandampfer springen!«
Margit Holstein sah ihn unsicher an. »Wirst auch du gehässig?«
»Auch?«
»Du weißt doch, welche Bemerkungen gemacht werden, seit Sorokin in einer Staatsbarkasse davonrauschte.«
Er machte eine wegwerfende Bewegung. »Neidisches Gerede ist das, während ich hier den Versuch mache, mit reporterhaftem Gequatsche dein Herz zu gewinnen. Und was tust du? Du verdächtigst mich!«
Sie hakte sich bei ihm ein. »Im Gegenteil, ich will dir etwas anvertrauen. Mistreß MacDonald erzählte mir vorhin, daß wenige Tage vor Abfahrt des Schiffes in London ein Attentat auf Sorokin verübt wurde. Er ist Waffenhändler!«
Cooper gab sich einen erstaunten Anschein. »Ein richtiges Attentat?«
»Sein Wagen flog in die Luft. Sorokin ist nur noch am Leben, weil er eine Firma beauftragt hatte, seinen Wagen abzuholen. Der Fahrer war auf der Stelle tot.«
»Schrecklich!« entgegnete Cooper mit entsetzter Miene. »Weiß außer dir und Mistreß MacDonald noch jemand davon?«
»Ich glaube nicht. Sie tat jedenfalls sehr geheimnisvoll und bat mich, die Geschichte nicht publik zu machen.«
Cooper rieb seine Nase. »Das ist auch besser. Über Sorokin wird seit gestern gerade genug gelästert. Dabei ist er ein kultivierter und wirklich angenehmer Mensch.«
»Aber er ist Waffenhändler, wie wir nun wissen«, entgegnete Margit Holstein vielsagend. »Mir hat es einen richtigen Stich versetzt, als ich das erfuhr.«
Gordon Cooper gab ihr einen Kuß. »Waffenhändlern wird vieles nachgesagt. Betrachtet man die Dinge jedoch nüchtern, dann sind sie nichts anderes als Generalvertreter von Flugzeugfabriken, Schiffswerften und sonstigen Rüstungsindustrien.«
Margit Holstein schüttelte den Kopf. »Ihre Tätigkeit ist dennoch anrüchig.«
»Nicht anrüchiger als die von Politikern, die sich zum Kauf von Waffen entschließen.«
Sie wies zum Ufer hinüber, an dem einige erleuchtete Villen auftauchten. »Ist das schon Suez?«
»Es sieht so aus. Der ›Chief‹ sagte mir, es sei eine hübsche Stadt.«
Eine unscheinbare Anlegestelle glitt vorbei, von der sich eine Barkasse löste, die gleich darauf mit hoher Bugwelle hinter der ›Bayern‹ herlief und sich rasch der Gangway näherte, auf deren unteren Stufen zwei Matrosen standen, die allem Anschein nach Hilfestellung leisten sollten. Doch das war nicht notwendig. Wie im Spiel setzte sich das Boot neben die Gangway, und Ivo Sorokin, der eine Aktentasche in der Hand hielt, setzte mühelos über.
»Darauf sollten wir uns einen Drink genehmigen«, sagte Cooper an Margit Holstein gewandt, als er die enttäuschten Gesichter einiger Passagiere bemerkte, die Sorokin gelassen die Gangway emporsteigen sahen.
Sie griff in ihr Haar. »Ich muß zuvor aber meine Frisur in Ordnung bringen.«
Das hatte Cooper gehofft, denn er wollte schnellstens zum Foyer hinuntereilen, um wie zufällig mit Ivo Sorokin zusammenzutreffen.
»Hatten Sie eine angenehme Fahrt, Sir?« erkundigte sich der Chiefsteward gerade, als Cooper die letzten Stufen der Treppe erreichte.
»Es war reichlich heiß«, erwiderte der Waffenhändler.
»Wünschen Sie noch etwas zu essen?«
»Wenn ich ein paar Appetithappen bekommen
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