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Roter Regen

Titel: Roter Regen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Moritz
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Bärbel war froh, nicht allein zu
Hause sein zu müssen. Hier, in Killians Höhle, fühlte sie sich sicher. Sie
dachte gar nicht daran, das Atelier zu verlassen.
    Sie wickelte sich aus der Decke und nahm die Witterung auf. Irgendwo
musste der Heißwassertrinker doch auch Kaffee versteckt haben.
    * * *
    Das Weingut von Herbert Brenn lag zwischen Bötzingen und dem
Badberg, in praller Südhanglage. Neben Wein wurden hier auch Äpfel, Birnen,
Zwetschgen, Kirschen und allerhand Gemüse angebaut. Killian wusste, wie es hier
im September aussehen konnte, wenn das Wetter es gnädiger meinte. Als er noch
ein Kind gewesen war, hatte er geglaubt, hier oben sei das Schlaraffenland. Es
hätte das Paradies sein können, wäre da nicht der unerbittliche Herbert Brenn
mit den Schäferhunden und der doppelläufigen Schrotflinte gewesen – und die
rote Zora, die sich mit ihrer fünfköpfigen Bande zum Erzengel Gabriel
aufgeschwungen hatte.
    Killian fuhr im Schritttempo und besah sich die Schäden. Wo der
Regen beinahe eine Schlucht in die Straße gerissen hatte, glaubte er einen
Moment lang, gleich würde ihm brodelnde Lava entgegenspritzen. Als Kind war ihm
die Tatsache unheimlich gewesen, dass der Kaiserstuhl ein erloschener Vulkan
war. Und als es in den siebziger Jahren Erdbeben in der Region gegeben hatte,
die auf seinem Kinderzimmerregal die Matchbox-Autos hatten vibrieren lassen,
war er fest davon überzeugt gewesen, dass Archäologen ihn Jahrhunderte später
in Lavateig gebacken ausgraben würden.
    Er lächelte in Gedanken an die alten Ängste und bremste den Wagen
vor einem großen Erdspalt. Man hatte einige dicke Bretter darübergelegt, die es
einem mittelgroßen Wagen ermöglichten, die kleine Schlucht zu überqueren.
Killian rollte langsam darauf zu und blickte aus dem hinuntergekurbelten
Fenster. Gute drei Meter unter ihm plätscherte ein bis vor Kurzem
unterirdischer Bach.
    Als er wieder aufblickte, versperrte ihm ein Cherokee mit getönten
Scheiben den Weg. Der Fahrer des Jeeps stieg aus; es war Herbert Brenn. Diesmal
hatte er keine Schrotflinte in der Hand, er trug auch keine Gummistiefel. Er
hatte sich herausgeputzt, wie man es tat, wenn man in finanziellen
Angelegenheiten gewinnen wollte. Die Kampfkleidung des Wirtschaftssoldaten
bestand aus einem dunkelgrauen Boss-Anzug und blank geputzten Halbschuhen der
Marke Reiter. Eine Pilotenbrille von Ray Ban zierte sein gegerbtes Gesicht, und
Killian schien er mit einem Mal wie ein mittelmäßiger Schurke, den Chuck Norris
als Walker Texas Ranger zu bezwingen hatte.
    »Ich habe leider einen Termin mit der Bank. Aber Margit wird dir
alles erklären.« Dann blickte er auf seine Schuhe und bemerkte, dass er in
einer cremigen Suppe stand. Der Schurke hätte jetzt wohl »Fuck« gesagt – Brenn
begnügte sich mit einem badischen »Hureseich!«, putzte sich die Schuhe mit
einem Lappen und verschwand wieder im Cherokee.
    Killian wusste, dass Brenn davon ausging, er würde von der
improvisierten Bretterbrücke zurücksetzen, um ihm Platz zu machen. Killian
dachte aber überhaupt nicht daran. Er war zuerst auf der Brücke gewesen. Und es
war ihm wichtig, dass Brenn sich ihm gegenüber nicht wie ein Lehnsherr
gegenüber seinem Leibeigenen verhielt. Da Killian nicht in Brenns Wagen
hineinblicken konnte, wusste er nicht, was sich hinter der Scheibe abspielte.
Fluchte der alte Patriarch über die Respektlosigkeit? Oder führte er noch ein
Telefonat, um Margit die Ankunft Killians anzukündigen?
    Endlich sprang der Cherokee an, sauste im Rückwärtsgang zurück und
räumte Killians Defender den Weg frei. Killian legte den Gang ein und tuckerte
gemächlich über die Bretter. Er winkte dem vorbeirauschenden Brenn gnädig zu
und war zufrieden mit seinem kleinen Punktsieg. Für Außenstehende mochte diese
Aktion affig erscheinen, aber im ewigen Kampf zwischen »Plaschtikern« und
»Aborigines« war sie ein wichtiges Detail. Basketballer würden sie mit einem
Dreipunktewurf gleichsetzen. Und genauso jubelte Killian jetzt über seinen
Treffer, worüber er dann aber auch wieder kopfschüttelnd lachen musste. Er
wusste, wie albern dieser romantische Bürgerkrieg war, aber er merkte auch, wie
schwer erlittenes Unrecht verziehen werden konnte.
    * * *
    Es musste noch andere Hinweise auf diese angebliche Regenmaschine
geben, da war sich Belledin absolut sicher. Er hatte sie lediglich nicht
entdeckt bei der ersten Durchsuchung, weil er auf so etwas gar nicht gefasst
gewesen war.
    Sein Blick

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