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Roter Regen

Titel: Roter Regen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Moritz
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nur zwei Kurse. In dem einen bin ich, die
Namen kann ich dir geben.«
    »Und der andere?«
    »Sind, glaube ich, nur fünf Frauen.«
    »Kennst du die Namen?«
    »Nein, aber die kommen vom Paracelsus-Institut aus Freiburg. Die
machen den vollständigen Heilpraktiker. Psychotherapie ist nur ein Nebenzweig
davon. Hartmann hat hin und wieder fürs Paracelsus-Institut Kurse gegeben. Die
müssten die Namen haben.«
    * * *
    Anna Popescu konnte mit sich zufrieden sein, auch wenn sie noch
lange nicht am Ziel war.
    Sie hätte Hartmann ohne Weiteres getötet, weil dieser plötzlich mit
den Russen zusammenarbeiten wollte; aber nicht mit einem Okuliermesser. Auch
Christa Faller wäre für Anna ein Leichtes gewesen, aber doch bitte nicht mit
einem Buddha. Anna schoss immer in die Stirn, so wie sie es bei Merz getan
hatte. Wer die anderen beiden auf dem Gewissen hatte, war ihr ein Rätsel, und
sie hoffte sehr, dass es sich dabei nicht um andere Organisationen handelte,
die sich für Hartmanns Pläne interessierten. Zum Beispiel die Russen. Hartmann
hatte dort für sich finanziell und politisch größere Möglichkeiten gesehen,
Lupescu hatte jedoch bereits für die Forschungsergebnisse gezahlt. Hartmann
hatte einen wichtigen Teil seiner Berechnungen dennoch zurückgehalten, als
Lebensversicherung, wie er betonte. Anna war sich sicher, dass man mit Hartmann
hätte reden können, aber sein Tod und der seiner Assistentin brachten mit einem
Mal eine Dynamik in die Angelegenheit, die Lupescu nicht dulden konnte.
Besonders der nervöse Dr. Merz war unverhofft zu einem Risiko geworden. Er
hatte die Nummer eines Mobiltelefons gewählt, die eigentlich nur Hartmann hätte
wissen dürfen. Hartmann selbst hatte aber auch nie gewusst, dass er immer auf
die Mobilbox von Anna Popescu sprach, wenn er glaubte, Lupescu eine Nachricht
zu hinterlassen. Wer diese Nummer kannte, war eine Gefahr, die schnell
beseitigt werden musste. Hier war nur der entschlossene Weg mit der Schusswaffe
möglich gewesen. Drei Tote, drei unterschiedliche Waffen. Ein Rätsel ohne
innere Logik. Vor allem dass der Zufall Anna die fiebernde Margit Brenn vor die
Füße geworfen hatte, brachte eine Variable ins Spiel, die den Fall unorthodox
und simpel zugleich erscheinen ließ. Anna wusste, dass die Spurensicherung bald
erkennen würde, dass Margit nicht geschossen hatte; aber sie hatte durch die
Finte Zeit gewonnen, und Belledin war froh, eine mutmaßliche Täterin vorweisen
zu können.
    Belledin! Der war ein ganz besonderer Spaß für Anna. Dieser tumbe
Tor, der mit den billigsten Tricks weiblicher Erotikklischees am Nasenring
durch die Manege zu führen war. Anna entwischte ein leiser Lacher.
    Typen wie Belledin hatte sie genug gesehen, als sie aus dem
Waisenhaus ausgebüxt war, um ihr Leben selbst in die Hand zu nehmen. Kleine
hübsche Mädchen wie Anna kamen allerdings nicht weit in einem Land, in dem
viele von der Hand in den Mund lebten und froh waren, überhaupt etwas zwischen
die Zähne zu bekommen. In Annas Heimat hatten über die Jahrhunderte Vampire
geherrscht, und sie saugten noch immer, selbst wenn das Blut mittlerweile so
eingedickt war, dass nichts mehr floss. Auch Anna war nicht vom Strich
verschont geblieben. Kerle wie Belledin, Leute aus dem Westen, die sich für
wenig Geld einen schnellen Fick gönnten. Aber Anna hatte Glück gehabt, sehr
viel Glück.
    Der Zufall hatte es gewollt, dass in der Absteige, in der sie zu
arbeiten hatte, zwei Männer miteinander Schach spielten. Anna kannte das Spiel;
sie hatte es von ihrer Großmutter gelernt, da war sie vier Jahre alt gewesen.
Die Großmutter hatte ihrer einzigen Enkelin eingebläut, dass logisches Denken
das Wichtigste im Leben sei, wenn man eines Tages die Sonne für sich strahlen
sehen wollte. Und so hatte sie solange mit ihr gespielt, bis Anna die
Großmutter regelmäßig besiegt hatte.
    Sie erinnerte sich oft an das zufriedene Lächeln, das über die
Lippen der Großmutter gehuscht war, als sie zum ersten Mal geschlagen ihren
König hatte kippen müssen. Vier Wochen nach ihrem ersten Sieg war die
Großmutter gestorben. Die letzte Partie hatten sie am Totenbett gespielt, sie
war noch offen. Anna sah noch genau vor sich, wie die Figuren gestanden hatten.
Die Großmutter war im Vorteil gewesen, aber der Tod hatte ihr bereits die wichtigsten
Figuren stibitzt.
    Im Heim hatte niemand gewusst, wie man Schach spielte, und es hatte
auch keiner lernen wollen, egal, wen Anna gefragt hatte. Entweder man hatte

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