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Roter Regen

Titel: Roter Regen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Moritz
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versuchte sie die Kurve zu
kriegen.
    Killian überhörte auch diesen Satz und sagte nur: »In zwei Tagen
bringe ich die Fotos bei deiner Mutter vorbei.« Er lächelte sie freundlich,
aber unverbindlich an und geleitete sie zur Schiebetür, um sie hinauszulassen.
    Killian wusste selbst nicht, warum er diese dreiste Göre
fotografiert hatte. Aber alte Liebschaften lösten in ihm eine absurde
Vorstellung von ewiger Treue aus. Es ging ihm dabei weniger um die Frauen, mit
denen er etwas gehabt hatte, als vielmehr um die Bilder, die er mit diesen
Frauen in Zusammenhang brachte. Und bei Britta, selbst wenn es nur diese eine
Nacht im Schwimmbad gewesen war, gaukelten die Bilder von bunten Lichterketten und
ferner Tanzmusik, Gelächter und dem Plätschern des Pools ein Gefühl von
jungendlicher Freiheit und Unendlichkeit vor, das ihn in Bringschuld versetzte.
    Er drückte sich wieder hinter den Rechner und stach dann plötzlich
hoch, als hätte er erst mit Verzögerung bemerkt, dass er in einem Ameisenhaufen
hockte. Jetzt wusste er, woher er das Gesicht von Anna Popescu kannte: aus der
Krone! Sie war die Frau, der Belledin nachgerannt war. Aber ihre Haare waren
nicht blond gewesen wie auf dem Foto, sondern schwarz.
    »Alles ist für etwas gut, man muss es nur sehen«, pflegte Moshe
immer zu sagen. Und damit hatte er nicht unrecht. Die Verknüpfung von Anna
Popescu mit dem Gasthaus Krone hätte ohne die aufdringliche Sandra so schnell
nicht stattfinden können.
    Killian überprüfte seine Handlungsmöglichkeiten. Er selbst würde so
rasch nicht herausfinden können, unter welchem Namen Anna Popescu hier ihr
Unwesen trieb, Belledin hingegen hatte ihre Daten sicherlich bereits
aufgenommen. Vermutlich hatte er sie auch schon verhört. Es war das Klügste,
ihn anzurufen.
    * * *
    Hier würde sie niemand finden. Nur einer konnte ahnen, wo sie war,
und der würde sie nicht verraten.
    Wenige bloß kannten die unterirdischen Gewölbe und Vorratskammern,
die während des Zweiten Weltkriegs in den Löß mancher Hohlwege gegraben worden
waren. Davor waren es nur kleine Kammern gewesen, die den Bauern als Lager
gedient hatten; während der Fliegerangriffe, die Ende des Kriegs über Freiburg
jagten, hatten einige Bauern sich die Kammern zu größeren Gewölben ausgebaut,
um sich dort im Notfall für längere Zeit verschanzen zu können.
    Zur Zeit der Zora-Bande hatte Margit dann noch das Sauerstoffsystem
verbessert, indem sie senkrechte Luftschächte in die Gewölbe grub, die dann
versteckt unter einer Weinlaube in einer bodenlosen Regentonne mündeten.
    Sie war lange nicht mehr hier gewesen. Und sie konnte sich nicht
sicher sein, ob der lange Regen nicht auch an der Statik der Gewölbe genagt
hatte. Aber als sie den Efeu zur Seite schob und die Holztür aufdrückte, schien
alles beim Alten.
    Vorsichtig tastete sie in das Dunkel und zog die Tür wieder hinter
sich zu. Die Bretter waren morsch und verwittert. Durch ein Loch zwischen den
Latten konnte sie den Arm durchstecken und den Efeuvorhang wieder so drapieren,
dass jeder Wanderer daran vorbeiging, ohne auch nur zu ahnen, dass sich hinter
der grünen Wand ein Geheimnis befand.
    Etwas Licht fiel durch die Ritzen der Holztür, aber es war wenig,
was Margit erkennen konnte. Sie ließ sich Zeit, damit sich die Augen an die
Dunkelheit gewöhnten. Doch selbst dann gelang es ihr nur durch Tasten, sich in
dem Gewölbe zu orientieren.
    Sie versuchte sich zu erinnern, wohin der Gang führte und wie weit
es war, bis er sich gabelte. Vorsichtig setzte sie die Füße voreinander, die
Hände von sich gestreckt, um das Gesicht vor etwaigen Hindernissen zu schützen.
Sie merkte, wie sie in eine Pfütze tappte. Der Regen war also auch hier
eingedrungen. Sie tastete den Löß zur rechten Seite ab. Er war trocken. Langsam
schritt sie weiter, bis sie an etwas stieß. Das war die Gabelung. Links führte
es tiefer in den Berg, rechts würde gleich das alte Lager kommen. Dorthin
wollte Margit. Sie tastete sich nach rechts und stieß wieder an eine Holztür.
Sie hatte sich verzogen und klemmte; nach leichtem Druck gab sie nach.
    Margit vernahm ein Knacken. Das morsche Holz knirschte und brach aus
dem Scharnier. Die Tür krachte zu Boden, von oben rieselte Löß auf Margit
herab. Sie erschrak und befürchtete, dass noch mehr Erde auf sie niederfallen
könnte. Aber sie hatte Glück. Der Schacht beließ es bei der kleinen Ladung.
Margit stieg über die Tür und tastete sich weiter. Gleich musste ein

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