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Roter Staub

Roter Staub

Titel: Roter Staub Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Paul J. McAuley
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einem
zweiten System von Mustern, die von injizierenden Bakterien unter der
Haut geschaffen wurden. In dem Dämmerlicht des stinkenden Raums,
wo er mit Lee hockte, war Sicherheitsoffizier mit wirbelnden Mustern
bemalt, die in der graugrünen Färbung des Fleischs
verrottender Fische glühten.
    Sicherheitsoffizier war Schiedsmann bei Streitigkeiten zwischen
dem Dutzend Familien. Die Freien Yankees hatten Redd für den
Kapitän der Gig gehalten und Lee und Chen Yao als sein Eigentum.
Während Redd gebadet, geölt und gespeist wurde, wurden Lee
und Chen Yao gefesselt, und man sagte ihnen, sie wären
Laborratten.
    »Wenn wir uns entschließen, euch zu Schülern zu
machen, geben wir euch vielleicht Namen. Jetzt im Augenblick braucht
ihr keine«, sagte Sicherheitsoffizier zu seinen beiden
Gefangenen.
    Lee verneigte sich höflich. Die lange Kette, welche die
Handschellen an seinen Gelenken verband, klirrte.
    Sicherheitsoffizier knuffte ihn wie beiläufig am
frischgeschorenen Kopf. »Nichts von diesem
Kotau-Han-Scheiß«, sagte er fast freundlich. »Du bist
jetzt unter richtigen Leuten. Wir sind die Nation der Freien Yankees.
Wir tun die Dinge logisch, wissenschaftlich.«
    Lee entschuldigte sich, so gut er konnte. Er war noch immer nicht
an sein Viren-Übersetzungsprogramm gewöhnt, das die
Kontrolle über Kehlkopf, Zunge und Lippen übernommen hatte.
Es arbeitete unabhängig, jedoch nicht ganz mit
Lichtgeschwindigkeit. Die meisten seiner Sätze fingen mit einem
gedämpften Schluckgeräusch an, wie ein Räuspern. Aber
es hielt ihn am Leben. Die Freien Yankees waren fasziniert von einem
Han, der Yankee sprach.
    Chen Yao sagte: »Er ist ein Gott. Ich auch. Ihr laßt
uns gehen.«
    Sicherheitsoffizier sagte zu Lee: »Deine Tochter ist
verrückt, aber das ist schon in Ordnung. Du hast unsere
wissenschaftliche Weise gesehen, Wahnsinn zu heilen. Wenn sie stark
genug ist, werden wir’s wieder versuchen. Der wissenschaftliche
Weg ist der einzig wahre Weg. Ihr Han fällt wegen eurer lockeren
Abkommen auseinander. Ziemlich bald werden wir uns erheben und euch
die Welt abnehmen. Was hältst du davon?«
    »Dazu habt ihr jede Chance.«
    »Es ist unsere Bestimmung. Die Demokratie wird stets
triumphieren.«
    »Natürlich«, sagte Lee, der sich dabei fragte, was
Sicherheitsoffizier mit Demokratie meinte. Die Freien Yankees waren
entlang der Linie einer klassischen Oligarchie organisiert, bei der
die Macht nicht vom Individuum verliehen wurde, sondern durch
archaische Rituale und den damit verbundenen Personen.
Sicherheitsoffizier war aufgrund seines Namens und seiner Position
mächtig, nicht wegen dem, was er war. Niemand wurde nach einem
Eignungstest gewählt.
    Sicherheitsoffizier knuffte Lee erneut. Es war seine
charakteristische Geste der Gutmütigkeit. »Wenn du das
Deprogrammieren überlebst, Junge, warum sollst du dann
schließlich kein Student werden?«
    »Ich werde lernen«, sagte Lee. »Ich werde den Ruhm
des Eilands erweitern.«
    »Puste dich nicht auf. Du wirst tun, was man dir sagt, das
ist alles. Überlaß den Ruhm den Besitzenden.«
    »Jawohl, Sir.«
    Sicherheitsoffizier knuffte Lee erneut. »Das ist schon
besser. Jetzt hebt ihr beiden Laborratten eure Ärsche zur
Küche hinüber. Da muß Scheiße weggeschaufelt
werden.«
    Es war ein Zeichen der Zuversicht der Freien Yankees, daß
Lee und Chen Yao sich ohne Eskorte durch die schmalen Tunnel des
Nests winden konnten. Es war offensichtlich, daß die Nation der
Freien Yankees kleiner war als früher. Obwohl sie Privatheit zum
Fetisch machte, was bedeutete, daß jeder Bürger, selbst
die Kinder, zwei oder drei winzige Räume hatte, die niemand ohne
Einladung betreten konnte, gab es viel ungenutzten Platz auf dem
Eiland.
    In der Küche mußten Lee und Chen Yao, unter dem
wachsamen Blick des fetten Hausverwalters, eßbares Zooplankton
von ungenießbarem Phytoplankton aussortieren und den winzigen
Wesen ihre Siliziumimprägnierten Muscheln abstreifen.
Später, als sie Dung zwischen den Wurzeln verkrüppelter
Tomatenpflanzen und Gurken in den feuchtwarmen Treibhaustunneln
ausstreuten, waren sie imstande, eine geflüsterte Unterhaltung
zu führen.
    »Du mußt uns befreien«, bestand Chen Yao immer und
immer wieder, bis es Lee satt hatte, darauf hinzuweisen, daß er
niemanden an Bord des Eilands töten würde, und er
wüßte sowieso nicht, wie man das Ding segeln
müßte.
    Durch seinen virenerrichteten Sender/Empfänger hatte er mit
dem Computer gesprochen. Der älteste Lehrer und

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