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Roter Staub

Roter Staub

Titel: Roter Staub Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Paul J. McAuley
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in Gang zu
bringen, aber die alten Männer und Frauen nickten bestenfalls
und lächelten. Ihre Eleganz war eine Ehre, die nicht durch
Weisheit verdient war, sondern durch das Überleben der Gefahren
eines Lebens der Freien Yankees.
    Die Fackeln waren Pfeile aus Eisenholz, deren Spitzen mit Tuch
umwunden waren, das vollgesogen war von staubigem Rochenöl. Sie
brannten zögerlich, tanzende goldene Körnchen zischten und
knisterten darin, als Staub durch ihre Flammen geweht wurde. Schwerer
Rauch wälzte sich in die schattige Luft, breitete sich zu einem
niedrigen Schleier zwischen den Felsen aus. Er roch
süßlich-trocken.
    Einige der Freien Yankees hatten Trommeln, Tamburine und Glocken
an Land gebracht, und als eine Platte mit Essen nach der anderen
serviert wurde, wobei Süßes Pikantem folgte, diesem scharf
Saures, wurde aus einem zerrissenen synkopischen Trommeln
allmählich ein stetig pochender Groove. Reihen von Kindern,
aufgeregt wegen des Festes, tanzten zwischen den großen Felsen,
die an der Küste verstreut waren, und darum herum.
    Redd kratzte sich mit der Messerspitze Fleischreste aus den
Zähnen. »Diese Burschen wissen, wie man sich eine gute Zeit
macht«, sagte er.
    Lee lächelte, erfüllt von duseligem Wohlgefühl. Er
war betrunken von dem feurigen Brandy und vor Erschöpfung. Sein
virusveränderter Metabolismus hätte den Alkohol rasch
abbauen können, aber diesmal wollte er ihn spüren. Er hatte
aus keinem vernünftigen Grund, außer dem Aberglauben
derjenigen um ihn herum, am Rand des Tods gestanden, und er war
zurückgekehrt. Er rebellierte gegen die Vorstellung seiner
selbst, geschaffen durch die Freien Yankees, die Vorstellung, wie er
gehandelt hatte, als er den Staubrochen getötet hatte. Er wollte
sich nicht wie ein Gott fühlen. Er wollte sich menschlich
fühlen.
    Seine eigene Musik war abgerissen und kratzig. Eisen im Staub
zerriß sie zu einem verwirrenden geheimen Flüstern. Er
schaltete sie ab, hob die Maske und trank noch etwas Brandy. Jeder
Schluck von der Flüssigkeit, jedes Mundvoll Essen hatte den
bitteren Geschmack von Staub in sich.
    Chen Yao sagte mit angewiderter Verzweiflung: »Ihr seid beide
Narren«, und lief den felsigen Hang hinab und drängte sich
durch die Feiernden, die sich um sie schlossen, wie sich das Meer um
einen hineingeworfenen Stein schloß.
    Lee wollte ihr nach, aber Redd erwischte ihn an der Schulter, und
er setzte sich schwer hin, aus dem Gleichgewicht geraten. »Ach,
überlaß das Kind doch sich selbst«, sagte der Cowboy.
»Sie versteht nicht, warum wir heute unser Leben riskiert
haben.«
    »Ich glaube, das hat sie gemeint«, sagte Lee.
    »Morgen«, sagte Redd. Er nahm einen tiefen Zug von dem
Brandy. »Morgen. Das habe ich ihr gesagt. Ein Mann muß
sich ausruhen, nachdem er den Leviathan getötet hat. He,
hör dir doch mal das an!«
    Das Trommeln wurde lauter; die Hälfte der Freien Yankees
trommelte etwas, die meisten der übrigen tanzten. Fackeln
glühten in Hauben von Rauch und Staub und verdunkelten durch
überlappende Schatten mehr, als sie durch Licht enthüllten:
aber für Lee brannten die Menschen grün im Licht ihrer
eigenen Hitze, wie beseelte Kerzenflammen, die im Rauch
flackerten.
    Eine der Freien Yankees kletterte dorthin hinauf, wo Lee
saß, und verneigte sich vor den Alten, die kicherten und
nickten. Es war die Harpunierin. Ihre kleinen Brüste waren
bloß, besprenkelt mit Schweiß, der allmählich zu
Schlamm wurde. Die wirbelnden Tätowierungen auf ihren Armen und
zwischen ihren Brüsten brannten in einer kalten Phosphoreszenz.
Ihre Maske grinste Lee ihr Dreihundertundsechzig-Grad-Grinsen zu. Sie
nahm seine Hand in die ihre, und er folgte ihr hinab zum Tanz.
    Auf halben Weg blieb sie stehen und schob ihre Maske hoch. Ihr
langnasiges Gesicht war mit vielfarbigen Wirbeln tätowiert, so
daß ihre runden strahlenden Augen Lee durch eine Spalte in
einer blühenden Hecke anzusehen schienen. Obgleich sie sich eine
Stufe unter ihm auf dem unebenen Hang befand, mußte sie sich
herabbeugen, um ihn zu küssen.
    »Mein Name ist Vette«, sagte sie, den Mund einen
Zentimeter von Lees Mund. »Ich schulde dir mein Leben, und ich
hätte niemals gedacht, daß ich dies von irgendeinem Mann
sagen würde. Bist du wirklich derjenige, der uns zurück zur
Küste führen wird?«
    »Du bist bereits hier. Der Staubrochen hat dich hergebracht,
nicht ich.«
    »Sie haben gesagt, daß du es leugnen
würdest.« Ihr Lächeln glitzerte in der Hecke ihres
Gesichts: wie bei den

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