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Roter Staub

Roter Staub

Titel: Roter Staub Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Paul J. McAuley
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genommen,
instinktiv. Seine Viren fuhren um die Grenzen herum und hindurch.
Inmitten expandierender Datenblöcke hörte Lee Miriams Ruf,
der in sich selbst hineinschrumpfte.
    »Noch nicht!« sagte Miriam. »O du Narr!«
    Die Insel schrumpfte davon. Sie standen wieder an der Küste.
Die Inseln waren vage Formen durch den dahinströmenden dichten
Datennebel. Miriam war ein Schatten vor ihm, wie die flackernde
Gestalt auf einem schlecht eingestellten Empfänger.
    »Du Narr«, sagte sie etwas leiser. »Armer Narr. Geh
jetzt, ehe die Agenten von Gaia den Weg verschließen. Du kannst
soviel tun, und du weißt so wenig, und jetzt bist du auf dich
selbst gestellt. Es ist für mich zu gefährlich
hierzubleiben. Geh, und sieh dich nicht um!«
    Sie wich allmählich von ihm zurück, entlang einer
Richtung, die rechtwinklig zu allem anderen stand. In einem
Augenblick war sie verschwunden, doch jene Richtung verblieb, und es
schien Lee, daß sie mit ihrer Essenz erfüllt war, dem Atem
ihrer Seele. Als etwas Weites und Dunkles sich zu ihm
herüberbeugte, ein Schatten, der Licht einsog, floh Lee hinter
ihr her.
    Und fiel in sein eigenes Selbst zurück.

 
     

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    Er stolperte, fing sich an einer Platte staubpolierter Lava. Er
behielt den Eindruck eines monströsen Dings zurück, das auf
ihn zufiel, ein löwenköpfiger Haifisch von wenigstens einem
Kilometer Länge.
    Eine Frau drehte seinen Kopf und sah ihm ängstlich in die
Augen. Er spürte ihre Körperwärme; der Geruch nach
Schweiß und Feuerholz, mit einem Anstrich von ranziger Butter,
entströmte ihrer Haut. Ihre kleinen Brüste preßten
sich gegen seine Seite. Vette, ihr Name war Vette.
    »Ich habe gedacht, du würdest einen Anfall
bekommen«, sagte sie.
    Lee spielte die Augenblicke vorher und nachher nochmals durch, und
aus dem Stottern des Schlagzeugs schloß er, daß er
weniger als eine Sekunde in der wirklichen Zeit hinübergewesen
war. Er sagte: »Mir geht’s gut.« Es stimmte. Er war
nicht einmal mehr betrunken. Er drehte sich um und sah Chen Yao sich
den Hang hinauf quälen. Redd stolperte hinter ihr her.
    Chen Yao war außer Atem und wütend. »Wei Lee! Es
wird hier nicht funktionieren! Ich hab’s dir gesagt. Wir
müssen zum Gipfel, das habe ich dir immer wieder gesagt, und du
hörst nicht zu. Wo wärst du ohne mich? Während du
getanzt und geträumt hast und stockbetrunken gewesen bist, habe
ich die Sache abgemacht.«
    »Sie hat recht«, sagte Redd. Er setzte den Hut auf den
Kopf, verschränkte die Arme und versuchte, würdevoll
auszusehen, aber er fing immer wieder zu schielen an.
    »Wenigstens«, sagte Chen Yao zu Lee, »steht’s
mit dir nicht so schlimm wie mit dem Cowboy.«
    Lee sagte zu Vette: »Du hörst, was meine Freunde sagen.
Ich muß gehen. Ich muß den Weg zum Gipfel des Tigerbergs
finden.«
    »Dann werde ich mit dir gehen«, sagte Vette.
    »Genau das, was wir brauchen.«
    »Psst, Chen Yao. Vette, es ist gefährlich. Mehr als
gefährlich. Ich erwarte nicht zurückzukehren.«
    »Ich weiß«, sagte Vette, und ihre Augen leuchteten
hinter ihrer Maske. »Aber ich weiß auch, daß ich mit
dir gehen muß, um dabei zu helfen, meine Leute zu
retten.«
    Chen Yao fragte, wieder tief aus ihrem Aspekt heraus: »Sie
retten? Vielleicht – aber nicht so, wie sie sind. Ohne
Veränderung können sie nicht überleben, und die
Veränderung wird zerstören, was sie sind. Aber das trifft
auf uns alle zu.«

 
     

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    Der alte Mann, Li Pe, spähte durch einen Spalt in der
korrodierten Eisenplatte des verriegelten und mit einer Kette
gesicherten Tores des Letzten Hauses. »Sie kommen schon
wieder«, sagte er. Die Fackel, die er in der rechten Hand hielt,
spuckte, und Funken wirbelten hinauf zum Schlußstein des Bogens
und weiter in den nächtlichen Himmel.
    Hinter dem alten Mann fragte Lee: »Wie viele sind dort
draußen?«, und Vette faßte ihre Harpune fester,
während Redd den Mechanismus des Jagdgewehrs vorsichtig bewegte.
Er hatte die vergangenen paar Stunden damit verbracht, es zu reinigen
und wieder aufzupolieren. Auf der anderen Seite des kleinen Innenhofs
machte sich Li Pes blinde Schwester in der Dunkelheit innerhalb der
Haustür Sorgen. Der andere Überlebende der Bergstadt, Yang
Bo, sagte ihr, sie solle sich keine Sorgen machen, es wäre nicht
anders als in jeder anderen Nacht. »Aber es ist anders«, sagte die blinde Frau.
    »Ich habe drei direkt die Straße heraufkommen
sehen«, sagte Li Pe.
    »Ich schätze, es

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