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Roter Staub

Roter Staub

Titel: Roter Staub Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Paul J. McAuley
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zu
bekämpfen.«
    »Ich könnte dieses Gewehr probieren. Über ihre
Köpfe wegschießen.«
    »Du solltest sie erschießen«, sagte Li Pe.
    Redd schüttelte den Kopf. »Ich habe nicht die Absicht,
sie zu erschießen, diese kleinen…«
    »Das wirst du nicht tun müssen.« Lee hatte auf die
Steine gehorcht, die auf dem Schindeldach klapperten, und jetzt hatte
er eine Idee. »Bleibt hier«, sagte er zu ihnen, nahm Yang
Bos Fackel, lief über den Innenhof und kletterte einhändig
auf eine der verdrehten Säulen des Tors.
    Das Letzte Haus stand an einem Abhang oberhalb der Ruinenstadt. Im
Sternenlicht zeigte Lees verstärkter Gesichtssinn die
Ziegeldächer, die zu beiden Seiten einer Straße
hinabfielen, welche sich wand wie eine Schlange, der das
Rückgrat zerbrochen war. Viele der Dächer waren
zusammengesackt – Sturmschäden; am anderen Ende der Stadt
waren einige der Häuser bereits wenig mehr als Gerippe, die
inmitten der unkrautüberwucherten Überbleibsel ihrer
Gärten standen. Die Stadtbevölkerung hatte sich nach weiter
oben zurückgezogen, wie vor einer langsamen, unerbittlichen
Flut, bis die letzten von ihnen hier gestrandet waren, nicht gewillt,
fortzulaufen, weil dies ihre Heimat war, und dann außerstande,
fortzulaufen; wegen dem, was in der steinernen Wildnis an den
Hängen des Tigerbergs lebte.
    Infrarot enthüllte deutlich die kleinen flinken Wesen, die im
Sternenlicht hierhin und dorthin flitzten. Lees Fackel zog sie wie
Motten an, wie er beabsichtigt hatte. Sie fürchteten sich vor
Feuer, dennoch waren sie gleichfalls davon fasziniert. Vielleicht
hatten Li Pes Projektionen sie ebensosehr hierhergezogen wie die
unbeabsichtigte Durchquerung ihres Territoriums durch Lee, Chen Yao
und Redd.
    Lee zählte einhundert, die aus unterschiedlicher Entfernung
zu ihm heraufstarrten, und weitere kamen näher, wobei sie
über Felsen hüpften und einander zuschrien und zupfiffen.
Er horchte, fragte sich, ob seine Übersetzungs-Viren ein Muster
aus ihrem Lärmen heraussieben könnten.
    Dann segelten die ersten Steine aus der Dunkelheit heran. Lee fuhr
auf der Mauer hin und her, benutzte virenverstärkte Reflexe, um
den Geschossen auszuweichen. Nur wenig kamen in seine Nähe.
Diese pflückte er aus der Luft und warf sie zurück, wobei
er stets sein beabsichtigtes Ziel traf. Nach zehn Minuten zogen sich
die Belagerer außer Reichweite zurück, zwei von ihnen
waren schwer verletzt, die meisten der anderen hatten
Platzwunden.
    Vette stand unten, und Lee warf ihr die Fackel zu, ehe er
hinabsprang. »Eine Stunde oder so werden wir Ruhe haben«,
sagte er.
    »Aber sie werden bestimmt wiederkommen«, sagte Redd.
    »Stimmt«, sagte Vette. »Wir laufen ihnen
nach?«
    Lee sagte: »Wir müssen etwas für diese Leute tun,
Vette. Wir haben es über sie gebracht.«
    »Sie sind bereits verdammt«, flüsterte Vette.
»Kannst nicht jeden in der Welt retten, Lee.« Dann
lächelte sie. »Aber du versuchst es, ich weiß. Ich
lerne viel von dir.«

 
     

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69
     

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    Nachdem sie der Nation der Freien Yankees entkommen waren, hatten
sie zehn Tage benötigt, um einen Platz zum Anlegen zu finden,
während sie gegen Strömung und Wind kämpften. Die Gig
beklagte sich, daß die Freien Yankees sie in die falsche
Richtung mitgenommen hätten. Sie folgte einem gewundenen Pfad
durch die Eilande und Riffe, Ausläufer der Abhänge an der
Küste, und hielten sich stets eng am Fuß der Klippen der
Lavafelder des Tigerbergs. Während der heißen Tage und der
kalten klaren Nächte sprang und schwankte und wirbelte sie
über die Staubdünen, wobei sie sich nördlich und
östlich hielt. Die stark gegliederte Küste stand stets an
Steuerbord, so vom Staub poliert, daß die Felsen, einige so
groß wie Hügel, wie Gemmen funkelten: ein Halsband am
Fuß von Klippen, die fast sechs Kilometer senkrecht über
ihnen in die Höhe stiegen und den halben Himmel abschnitten.
    Etwas hielt nach ihnen Ausschau: Friedenstauben knatterten in der
Luft rund um den Berg. Kaum ein Tag verging, ohne daß sie
zumindest eine sahen, aber gewöhnlich waren sie so weit
entfernt, daß sie ohne unterstützten Gesichtssinn
lediglich Pünktchen im rosafarbenen Himmel waren. Zweimal jedoch
kamen Friedenstauben so nahe, daß die Gig sie an Land bringen
und verstecken mußte. Das erste Mal ankerte sie im Schatten
eines sich emportürmenden Bogens, der so glatt wie ein Goldring
poliert war, das zweite Mal in einer völlig runden Höhle
aus schwarzem Fels, die zur Hälfte

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