Roter Staub
wurde von dem
stachelhaarigen Maddog Maguire aus dem Wrack gezogen.
Lee sprang auf und rannte. Er stapfte direkt durch die Blumenbeete
und sprang mit einem einzigen Satz über die Hecke auf der
anderen Seite des Parks. Dann lief er eine breite Straße
entlang, die in der Mitte von Straßenbahnschienen geteilt
wurde. Zu beiden Seite gaben Fabrikgebäude ein tiefes Brummen
von sich. Gelegentliche Lampen verschütteten ein krankhaft
orangefarbenes Licht. Von irgendwo voraus ertönte Musik, und
einmal, zweimal, stiegen Feuerwerksraketen über die flachen
Dächer der Fabriken, kurze Konstellationen, die bereits
verblaßten, wenn das schwache Geräusch ihrer Explosion Lee
erreichte.
Er lief, bis er ziemlich außer Atem war, und dann ging er,
keuchend, bis er das Geratter einer Rikscha hörte und
zurückblickte. Er hoffte, es wäre sein Fahrer, der ihm
wegen der Bezahlung nachjagte, dann jedoch schlug ein Blitzlicht
links vor ihm ein, so nahe, daß er die Hitze spürte, die
ihn überschwemmte.
Einen Augenblick lang drohte ihn die Fluchtreaktion wieder zu
überwältigen. Aber er wußte jetzt, wie es
funktionierte: er wußte, wie er auf das parallele Nervensystem
Zugriff nehmen mußte, das von den Viren gesponnen worden war.
Er nahm Geschwindigkeit auf. Er verschwamm.
Maddog Maguires Rikscha war bald weit hinter ihm, während Lee
die immer schmaler werdende Straßen hinabflitzte. Er lief
mühelos und leicht, wobei er rasch Atem schöpfte. Die
gepflasterte Straße wich jäh einem Matschweg mit einem
stinkenden Abwasserkanal, der in seiner Mitte überfloß.
Die Wäsche, die über ihm von Haus zu Haus gespannt war,
bildete geisterhafte Formen; Hunde bellten von Verandas, als Lee
vorüberjagte. Die Feuerwerksraketen und die Musik schienen
näher zu kommen, und dann bog Lee um eine Ecke und war inmitten
einer feiernden Menge.
Er blieb stehen, die Muskeln so schlaff wie Säcke voll
Wasser. Menschen wanden sich am Ufer hin und her. Er sah Mönche
in roten Roben, Fischer und Frauen in schwarzen Baumwollkitteln oder
Jacken mit Kapuzen aus ungefärbter Wolle, sie hatten sich rotes
Garn ins Haar geflochten und rote oder gelbe Tücher um den Hals
gebunden. Kinder liefen umher. Verkäufer riefen ihre Waren aus:
Bier, süßer Reis, Knödel, frittierte
Mehlklöße. Jeder schien eine Gebetsmühle zu drehen
oder eine kleine Trommel zu schlagen oder ein Tamburin zu
schütteln. Immer wieder feuerte jemand Raketen ab, einfach aus
Spaß, und feurige Blumen erblühten über dem dunklen
See. Molen liefen hinaus in die schwach leuchtende Dunkelheit, und
Boote waren über eine lange Strecke daran festgebunden, und
Papierlaternen glänzten wie Sterne an den Spitzen ihrer hohen
Hecks.
Es war das Fest der Häuser der Götter, die Zeit, wenn
die Myriaden von aufgesplitterten Gottheiten der Fischer diejenigen
Leute verließen, in denen sie ein Jahr lang geritten waren, und
sich in neuen Gastgebern niederließen. Hier und dort umtanzten
Kreise von Sängern einen Mann oder eine Frau, die wie betrunken
schwankten – betrunken von einer ihnen innewohnenden Gottheit.
Lee wurde zweimal in einen dieser Kreise hineingezogen, und nachdem
er sich das zweite Mal befreit hatte, wurde er von einem Mann mit
starrem Blick angehalten, dem die Tränen an den Wangen
herabliefen. Er hielt Lee an den Schultern, sah ihm, ohne zu
blinzeln, ins Gesicht, sagte: »Willkommen, Schwester!« und
rannte davon.
Eine Rakete zündete vorzeitig und ließ einen
prasselnden Schauer goldenen Regens direkt über der Menge los.
Jeder rings um Lee sah auf, jeder, außer einem Mann, der sich
links und rechts umschaute, während er sich durch die Menge
schob.
Es war der Mann in Schwarz.
Er sah Lee im selben Augenblick, in dem Lee ihn sah, rief ein
einziges Wort, das in den Gesängen, dem Gekreisch und
Gelächter des Festes unterging.
Lee duckte sich um die rauchende Karre eines
Mehlkloß-Frittierers und wand sich durch die gemächlich
schlendernden Knoten und singenden Kreise von Menschen. Ein kleines
Mädchen faßte ihn am Saum seines Chuba; Lee riß sich
los und schoß zwischen zwei kahlrasierten Mönchen in
orangefarbenen Roben hindurch, die Freudensprünge machten und in
wilden Synkopen kleine Trommeln schlugen, die sie unter die Arme
gesteckt hatten.
Lee stand am Anfang einer langen Steinmole. Der Mann in Schwarz
drückte sich zwischen den tanzenden Mönchen durch, und Lee
rannte los, rannte eine lange, lange Weile, bis er fast über das
Ende der Mole hinausrannte. Zu beiden
Weitere Kostenlose Bücher