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Roter Staub

Roter Staub

Titel: Roter Staub Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Paul J. McAuley
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gesucht, sondern dich und die
Anarchisten-Pilotin. Bei Einbruch der Nacht haben wir zwei Pferde
gestohlen und sind davongeschlüpft, und sie wußten nicht
mal, daß wir dort gewesen sind. Wir sind bis zur Bahnstation
Drachenquelle geritten, und dann haben wir einen Zug genommen.
Guoquiang hatte gerade genügend Geld für die Fahrt, und
sobald wir die Stadt erreichten, ist er zur Armee gegangen. Er
wollte, daß ich auch zur Armee ginge, aber das ist niemals
meine Vorstellung eines Lebens gewesen. Abgesehen davon, kannst du
dir einen silberäugigen, weißhaarigen, bleichhäutigen
Albino in einer schwarzer Lederuniform vorstellen?«
    »Es wäre ziemlich elegant.« Lee mußte sich
nahe zu Xiao Bing hinüberlehnen; die halbe Menge stimmte
Sprechchöre für den Kaiser an, der Rest rief: »Nieder
mit der Sechserbande!«, immer und immer und immer wieder. Lee
sagte: »Und du bist noch immer hier. Noch immer in der Welt. Du
bist noch immer nicht einer der Halblebenden.«
    »Oh, der Himmel kann warten. Ich bin mit einigen
interessanten Leuten zusammengekommen. Du siehst die Poster mit den
Großbuchstaben an den Mauern? Es sind die sechsundfünfzig
Rufe nach der Übertragung der Macht an das Individuum. Wir haben
die meisten davon in der Nacht angeklebt, da der ›King of the
Cats‹ damit angefangen hat, vom Tod des Kaisers zu sprechen. Ich
helfe dabei, die Projektoren am Laufen zu halten, um unsere Slogans
in die Luft zu bringen.«
    »Wie hast du die Ku li gefunden?«
    Xiao Bing lachte – das Lachen war verloren im Tosen der
Menge. Er beugte sich nahe heran und sagte: »Es sind nicht die Ku li. Sie sind weit radikaler, wie du sehen wirst. Und sie
haben mich gefunden, Lee. Sie finden diejenigen, die ihnen helfen
können, und als Gegenleistung helfen sie uns. Da ist eine
Suppenküche unten in der Nähe des Bahnhofs. Ich habe mit
einem ihrer Kameraden gesprochen, und er hat mich zu einem der
Treffen mitgenommen. Jetzt komme ich jeden Tag hierher, um bei der
Erziehung der Bittsteller zu helfen, die herkommen, um mit dem Kaiser
zu sprechen.«
    »Aber gewiß spricht der Kaiser mit niemandem.«
    »Das stimmt, aber es gibt stets diejenigen, welche aus dem
einen oder anderen Grund glauben, daß nur der Kaiser ihnen
helfen kann. Einige sind hiergewesen, seitdem der Kaiser zu schweigen
angefangen hat – du hast sicherlich die Zelte in der westlichen
Ecke des Platzes gesehen. Wir kommen her, um diejenigen zu
unterrichten, die noch immer glauben, daß der Kaiser ihnen
helfen kann. In gewisser Weise schätze ich, daß wir –
meine Freunde und ich – ebenfalls eine Bittschrift beim Kaiser
einreichen.
    Ich möchte gern, daß du meine Freunde triffst, Wei
Lee.«
    »Das wäre wohl interessant, glaube ich.«
    »Übrigens, was ist mit der Pilotin passiert?«
    »Sie… ist gestorben. Sie ist gestorben, Xiao Bing. Weit
weg von hier.«
    »Wie seltsam! Sie ist vom Himmel gefallen und hat unser aller
Leben berührt, und jetzt ist sie verschwunden, und wir sind
verändert.«
    »Das ist wahrer, als du glaubst.«
    An der Mauer war die Menge am dichtesten. Xiao Bing benutzte seine
scharfen Ellbogen, um sich durch die Leute zu schieben, welche die
Poster und Slogans lasen. Der Offizier der
Sprachrohr-des-Volkes-Armee war höher getrieben und ruckte in
der Morgenbrise hin und her wie ein Fesselballon. Als seine
verstärkte Stimme die Warnung wiederholte, wurde sie halb von
den Rufen und dem höhnischen Lachen der Menge ertränkt.
    »Dies ist unser Tag!« sagte Xiao Bing glücklich und
zog Lee weiter über den Platz zu den Stufen, die sich zu den
hohen schmalen Toren des Hauses der Namen des Gemeinen Volkes
hinaufschwang. Irgendwo dort drin, dachte Lee, suchte der
Bibliothekar, den Xiao Bing für ihn geschrieben hatte, noch
immer die dämmrigen, büchergesäumten Korridore der
Datenbasen heim. Aber wonach würde der Bibliothekar jetzt
suchen, jetzt, da die Wahrheit über den Meuchelmord an seinen
Eltern gefunden worden war?
    Ein Dutzend junger Männer hatte die geschützte Nische
auf dem Treppenabsatz vor den geschlossenen rostfreien
Stahltüren in Beschlag genommen. Die Hälfte davon waren
Yankees, und alle trugen sie lose, zumeist schwarze Kleidung. Einige
verteilten gedruckte Flugblätter an Passanten; andere packten
alle möglichen Arten elektronischer Ausrüstung aus
Segeltuch-Reisetaschen, Zeugs, das die ungeschliffenen Kanten von
selbstgefertigten, experimentellen Einheiten hatte.
    Xiao Bing stellte Lee einem plumpen jungen Mann namens Lao

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