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Roter Staub

Roter Staub

Titel: Roter Staub Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Paul J. McAuley
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Wohnstätten zu verlassen. War sie ein
Dämon oder ein Engel?
    Ihm wurde klar, daß es keine Rolle spielte. Er
verspürte eine merkwürdige ruhige Klarheit. Selbst wenn
Miriams Fulleren-Viren ihn dazu neu verdrahtet hatten, daß er
sich so fühlte, selbst wenn sie seine Panik ausgelöscht
hatten, so, wie er vielleicht eine Kerzenflamme ausdrückte, es
fühlte sich noch immer richtig an. Die Conchie-Missionare
behaupteten, daß die Welt nur eine Illusion war: wem war es zu
sagen bestimmt, ob die eine Sache wirklicher war als eine andere, ob
Licht stärker als Dunkelheit?
    Lee spürte Chen Yaos kleine Hand in der seinen. Sie war warm
und verschmiert von frittierten Bananen. Der kleine verrückte
Mädchengott sagte: »Ob sie ein Dämon oder ein Engel
ist, hängt natürlich davon ab, wem sie dient. Sie ist vom
Himmel gefallen, also schätze ich, daß sie ein Engel sein
muß.«
    »Die Erde ist ebenfalls im Himmel.«
    »Miriam sagt, du hast eine Menge zu lernen.«
    »Kannst du wirklich mit ihr sprechen?«
    »Natürlich.« Chen Yao war ruhig und sachlich.
»Hier sind überall Viren, wegen der Flossler. Sie wurden
von Cho Jinfeng selbst mit Strängen infiziert, und sie hat uns
einen Übersetzungsstrang gegeben, so daß wir mit unseren
Gehilfen sprechen können. Seitdem haben sich die Viren
verändert, und so konnten wir Fischervolk die Avatars für
die Fragmente der Gottheiten werden, die unter uns herabgefallen
waren. Aber sie sind unvollkommen, und du bist das nicht.«
    Lee erinnerte sich an Miriams Behauptung, es habe so viele Agenten
vor ihr gegeben, daß einige als fragmentarische Infektionen in
den Nachkömmlingen ihrer ursprünglichen Kontakte
überlebt hätten. Er glaubte zu wissen, was die Mutationen
in den Übersetzerviren der Fischer verursacht hatte.
    »Wohin bringst du mich, Chen Yao?« fragte er. »Du
überschätzt meine Kräfte, wenn du glaubst, daß
ich zu Fuß halb um die Welt gehen könnte.«
    »Es gibt Leute, die werden uns helfen. Sie haben eine lange
Zeit auf Menschen wie dich gewartet. Die Himmelsstraße ist
niemals völlig zerstört worden.«
    »Miriam sagte, daß die Ku li mir helfen
würden. Sind dort deine Freunde?«
    »Du stellst zu viele Fragen«, sagte Chen Yao. »Komm
schon! Hier entlang.«
    »Ich habe meine eigene Vorstellung«, sagte Lee. »Du
kannst mit mir kommen, wenn du möchtest, aber ich gehe dorthin,
mit dir oder ohne dich. Es wird nicht allzuviel Zeit benötigen,
das zu erhalten, was man mir schuldet.«
    »Wir brauchen kein Geld.«
    »Natürlich brauchen wir welches. Wir gehen hinaus in die
wirkliche Welt. Vertrau mir.« Er schritt die schmale
Straße hinab, die er vergangene Nacht entlanggerannt war, und
nach einem Augenblick hörte er Chen Yao hinter sich herrennen,
um ihn einzuholen.
    »Es wird dir leidtun«, sagte sie. Dann: »Wohin
gehen wir?«
    »Zu dem einen Mann, der mir helfen kann.«
    »Dein Urgroßvater ist kein Freund!«
    »Ich habe nicht an ihn gedacht«, sagte Lee.
    Also kam es so, daß Lee durch die erwachende Stadt ging,
zwei Schritte vor einem mürrischen kleinen Mädchen, das
einen Gott trug, der innerhalb ihres eigenen Genoms in den
Übersetzungsvirus eingehakt war. Es war, als ginge er an der
Spitze einer Prozession.
    Sie gingen breite Straßen hinab, die überschattet waren
von den zweihundert Meter hohen Baldachinen staubiger Gingkos.
Straßenbahnen glitten unter Herden von Fahrrad fahrenden
Pendlern dahin, aber Lee und Chen Yao hatten kein Geld für
Straßenbahnen, nicht einmal die allerletzte Münze für
einen Schluck frischgepreßten Orangen- oder Mangosaft aus
Plastikkanistern, in welche die Händler stählerne Becher
eintauchten, die sie methodisch nach jedem Kunden auswischten.
    »Du gehst wirklich den falschen Weg«, sagte Chen
Yao.
    Lee sagte Chen Yao, daß sie sich nicht auf die Wohltaten
ihrer Anbeter verlassen könnten.
    »Es sind keine Anbeter«, erwiderte Chen Yao. »Ich
frage mich, ob du irgendwas von dem verstanden hast, was man dir
gesagt hat, Wei Lee.«
    »Vielleicht hast du recht. Aber der Tigerberg ist
fünftausend Kilometer entfernt, und hier in der Stadt ist ein
Mann, der mir Geld schuldet.«
    »Wir brauchen es nicht!«
    Sie starrten einander an, während Passanten um sie
herumgingen. Lee sagte: »Erzähl mir alles, Chen
Yao.«
    Chen Yao wandte ihm die Seite ihres Gesichts zu. »Ich
hab’ dir zuvor schon gesagt, daß du zu viele Fragen
stellst.«
    »Dir ist nicht sehr viel gesagt worden. Ist schon gut. Ich
weiß ja auch nicht viel. Da haben

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