Roter Zar
gekommen, was ihn quälte. »Hier.«
Er drückte Pekkala etwas in die Hand.
»Was ist das?«, fragte Pekkala.
»Das ist ein Ring.«
Dann wurde Pekkala bewusst, dass der Zar soeben seinen Siegelring vom Finger gezogen hatte.
»Ich sehe, was es ist«, sagte Pekkala, »aber warum geben Sie ihn mir?«
»Es ist ein Geschenk, Pekkala, aber auch eine Warnung. Verlieren Sie keine Zeit. Wenn Sie verheiratet sind, brauchen Sie einen Ring. Dieser, denke ich, passt dafür ganz gut. Sie wird auch einen Ring brauchen, aber das überlasse ich dann Ihnen.«
»Danke«, sagte Pekkala.
»Bewahren Sie ihn sicher auf. Da! Schauen Sie!« Er zeigte zu den Gärten.
Ilja hatte sie gesehen und winkte ihnen zu.
Beide Männer lächelten und winkten zurück.
»Wenn Sie sie entwischen lassen«, sagte der Zar mit unterdrücktem Grinsen, »werden Sie sich das nie verzeihen. Und ich Ihnen übrigens auch nicht.«
A nton sah auf das weiße Ziffernblatt seiner übergroßen Armbanduhr und steckte den Kopf aus dem Beifahrerfenster. »Die zehn Minuten sind um!«, rief er.
Pekkala erhob sich. Der Schatten des Brecheisens war nach rechts gewandert. Er zog den zweiten Kiesel aus der Tasche und legte ihn ans jetzige Schattenende. Dann ritzte er mit dem Absatz eine Linie in den Boden, die die beiden Kiesel miteinander verband. Er stellte sich hinter den zweiten Kiesel und streckte den Arm parallel zu der von ihm gezogenen Furche. »Dort liegt Osten«, sagte er.
Keiner der beiden Männer stellte das Ergebnis in Frage, das mit Hilfe von Mitteln gewonnen worden war, die ihr Verständnis überstiegen.
Sie fuhren den ganzen Tag, legten nur dann eine Pause ein, wenn sie mit einem der Benzinkanister im Kofferraum auftankten, und hielten schließlich vor einer verlassenen Scheune, um dort die Nacht zu verbringen.
Sie fuhren den Emka in die Scheune, falls die Gegend doch nicht so verlassen war, wie es den Anschein hatte. Auf dem Boden – nichts anderes als festgestampfte Erde – machten sie ein Feuer, das sie mit den Holzplanken eines alten Pferdestalls anschürten.
Anton öffnete eine Dose der Militärverpflegung, auf dem das Wort »Tuschonka« aufgedruckt war. Mit einem Löffel, den er aus seinem Stiefel zog, nahm er einen Bissen, steckte den Löffel in die Dose und reichte sie an Kirow weiter, der einen Fleischbrocken herausfischte, in den Mund nahm und ihn sofort wieder ausspuckte.
»Grässlich!«, entfuhr es ihm.
»Gewöhnen Sie sich dran«, sagte Anton. »Ich habe drei Dosen von dem Zeug.«
Kirow schüttelte entschieden den Kopf – wie ein Hund, der sich Wasser aus dem Fell schüttelte. »Hätten Sie anständige Lebensmittel mitgebracht, hätte ich für uns was kochen können.«
Anton zog einen Flachmann aus der Tasche, ein Glasgefäß in einer Lederhülle mit einem Zinnbecher, der auf den Boden des Flachmanns passte. Er schraubte den Metallverschluss auf und nahm einen Schluck. »Der Grund für die Schließung Ihrer Kochschule …«
»Es war eine Schule für Küchenchefs!«
Anton rollte mit den Augen. »Sie wurde geschlossen, Kirow, weil es in diesem Land nicht mehr genügend Lebensmittel gibt, um daraus ein ordentliches Essen zu machen. Glauben Sie mir, es geht Ihnen besser, wenn Sie für die Regierung arbeiten. Da werden Sie wenigstens nicht verhungern.«
»Doch«, sagte Kirow, »bei einem Fraß wie diesem schon.« Er hielt Pekkala die Dose hin. »Was hat der Zar gern gegessen?«, fragte er.
»Meistens einfache Speisen«, erwiderte Pekkala. »Schweinebraten, gekochten Kohl. Blinis. Schaschlik.« Pekkala musste an die Fleischspieße mit Paprika, Zwiebeln und Pilzen denken, die mit Reis und schwerem georgischen Wein serviert wurden. »Sie wären wahrscheinlich enttäuscht.«
»Im Gegenteil«, antwortete Kirow, »solche Speisen sind am schwersten zuzubereiten. Kommen Küchenchefs zu einem Essen zusammen, wählen sie immer traditionelle Rezepte. Ein guter Küchenchef zeichnet sich dadurch aus, dass er einfache Speisen so zubereiten kann, dass sie genau so schmecken, wie es jeder erwartet.«
»Und was ist mit den Köchen?«, fragte Anton.
Bevor Kirow darauf etwas erwidern konnte, warf ihm Anton den Flachmann in den Schoß.
»Was ist da drin?«, fragte Kirow und beäugte den Flachmann, als wäre er eine Handgranate, die jeden Augenblick hochgehen konnte.
»Samahonka!«, sagte Anton.
»Selbst gebrannt«, murmelte Kirow und gab die Flasche zurück. »Sie können von Glück reden, dass Sie noch nicht blind sind.«
»Ich habe ihn
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