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Roter Zar

Roter Zar

Titel: Roter Zar Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sam Eastland
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beschrieben.
    Bald störte ihn der Gestank des Todes nicht mehr, selbst wenn er seiner Kleidung anhaftete, lange nachdem er Bandelajews Labor verlassen hatte.
    In den Wochen, die sie gemeinsam verbrachten, kam Bandelajew immer wieder auf die Frage zurück: »Was sagt Ihnen das?«
    Eines Tages unterrichtete Bandelajew ihn über die Wirkung von Feuer auf einen Leichnam.
    »Die Hände werden sich zusammenballen«, sagte er, »Arme und Knie beugen sich. Ein Leichnam in einem Feuer ähnelt in seiner Haltung einem Boxer in einem Kampf. Aber angenommen, Sie finden einen verbrannten Leichnam, stellen jedoch fest, dass seine Arme gerade sind. Was sagt Ihnen das?«
    »Es sagt mir«, antwortete Pekkala, »dass seine Hände möglicherweise auf den Rücken gebunden waren.«
    Bandelajew lächelte. »Jetzt sprechen Sie die Sprache der Toten.«
    Zu seiner eigenen Überraschung stellte Pekkala fest, dass Bandelajew recht hatte. Plötzlich, aus jedem Glas, von jedem Tablett, redeten Stimmen auf ihn ein und erzählten Geschichten von ihrem Tod.

D as Feuer auf dem Scheunenboden war niedergebrannt. Mohnrote Glut glimmte zwischen der Asche.
    Draußen erhellten Blitze den Himmel.
    »Wer ist Grodek?«, fragte Kirow.
    Pekkala atmete scharf ein. »Grodek? Was wissen Sie über ihn?«
    »Ich habe von Ihrem Bruder gehört, Sie hätten einen Mann namens Grodek hinter Gitter gebracht.«
    Pekkala mied Kirows Blick. »Grodek war der gefährlichste Mensch, dem ich jemals begegnet bin.«
    »Was hat ihn so gefährlich gemacht?«
    »Die Frage lautet nicht ›was‹, sondern ›wer‹. Und die Antwort darauf lautet: Die Geheimpolizei des Zaren.«
    »Die Ochrana? Aber das würde ja heißen, dass er für Sie, nicht gegen Sie gearbeitet hat.«
    »So war es vorgesehen«, erwiderte Pekkala. »Aber die Sache lief schief. Der Vorschlag ging auf General Zubatow zurück, den Leiter der Moskauer Ochrana. Zubatow wollte eine terroristische Vereinigung aufbauen, deren einziges Ziel gewesen wäre, den Zaren zu ermorden.«
    »Aber Zubatow war dem Zaren doch treu ergeben!«, rief Kirow aus. »Warum um alles in der Welt wollte Zubatow ihn ermorden lassen?«
    Anton rührte sich im Schlaf, murmelte Unverständliches und verstummte wieder.
    »Die Gruppe wäre nur fingiert gewesen. Zubatows Plan sah vor, so viele potenzielle Attentäter wie möglich anzulocken. Dann hätte er, wenn die Zeit dafür reif war, alle auf einen Schlag verhaften können. Gewöhnlich muss die Polizei ja warten, bis ein Verbrechen geschieht, bevor sie jemanden in Gewahrsam nehmen kann. Einrichtungen wie der Ochrana stellt sich allerdings manchmal die Aufgabe, Verbrechen vorauszuahnen, bevor sie geschehen.«
    »Die Leute glaubten also, sie würden für eine Terrorzelle arbeiten, in Wirklichkeit arbeiteten sie aber für Zubatow?«
    »Genau.«
    Die Augen des jungen Kommissars glänzten, während er sich die Tragweite dieses Täuschungsmanövers vorzustellen versuchte. »Und Grodek war tatsächlich Mitglied dieser Zelle?«
    »Er war mehr als ein Mitglied«, erwiderte Pekkala. »Grodek war derjenige, der alles leitete. Er war damals jünger als Sie. Sein Vater war ein entfernter Verwandter des Zaren gewesen. Er hatte mit seinen Geschäften mehr als einmal Schiffbruch erlitten, aber statt die Verantwortung dafür zu übernehmen, gab er dem Zaren die Schuld daran. Er meinte, seiner Familie würden die Privilegien vorenthalten, die ihr eigentlich zustünden. Nachdem Grodeks Vater Selbstmord beging, weil er mehr Schulden angehäuft hatte, als er jemals zurückzahlen konnte, machte Grodek den Zaren dafür verantwortlich.«
    »Verständlich«, sagte Kirow. »Er kannte ja nur das, was sein Vater ihm erzählt hatte.«
    »Genau. Und Grodek, mittlerweile ein junger Mann, machte keinen Hehl aus seinem Hass auf die Romanows. Er war der perfekte Kandidat für ein Attentatskomplott.«
    »Aber wie konnte jemand wie er dazu überredet werden, für die Ochrana zu arbeiten? Das ist mir völlig schleierhaft.«
    »Genau deshalb hat Zubatow ihn ausgewählt. Als Erstes ließ er Grodek in aller Öffentlichkeit verhaften. Die Neuigkeiten verbreiteten sich schnell. Ein junger Mann, der von der Straße weg verhaftet und in einen wartenden Wagen gezerrt wurde: Jeder, der Zeuge davon wurde – und Zubatow sorgte dafür, dass es viele Zeugen gab –, hatte Mitleid mit Grodek. Nachdem Zubatow ihn im Gewahrsam hatte, begann erst die richtige Arbeit.«
    »Was hat er mit dem Jungen gemacht?«, fragte Kirow.
    »Er verband Grodek die

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