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Roter Zar

Roter Zar

Titel: Roter Zar Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sam Eastland
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Staatsangelegenheiten beurteilen, über die er nicht Bescheid wusste. Meistens äußerte er sich in solchen Fällen ausweichend und hatte nur tröstliche Worte parat. Aber die Romanows klammerten sich daran wie an eine Prophezeiung. Kein Wunder also, dass Rasputin den Hass derjenigen auf sich zog, die sich um die Gunst des Zaren bemühten.
    Pekkala war zugegen gewesen, als die Petrograder Polizei an einem bitterkalten Morgen im Dezember
1916
Rasputins Leichnam aus der Newa fischte. Rasputin war im Haus des Fürsten Jussupow zu einer Feier eingeladen gewesen. Ihm wurde Kuchen vorgesetzt, der mit Hilfe des Arztes Lasowert genügend Kaliumcyanid enthielt, um einen ausgewachsenen Elefanten zu töten. Als das Gift aber nicht wirkte, feuerte Jussupows Mitverschwörer, der Duma-Abgeordnete Purischkewitsch, mehrere Schüsse auf Rasputin ab und stach ihm mit einem Messer in den Hals. Daraufhin rollten sie ihn in einen schweren Teppich und warfen ihn in ein Eisloch der Newa, wo Rasputin ertrank.
    »Endloses Leid«, sagte der Zar. »Das, hat Rasputin gesagt, würde der Krieg über uns bringen. Und schauen Sie, wie recht er hatte.«
    »Alle Kriege bedeuten Leid, Exzellenz.«
    Schaudernd wandte sich der Zar zu ihm. »Gott hat aus diesem Mann gesprochen, Pekkala! Wer spricht aus Ihnen, sagen Sie es mir.«
    »Sie, Exzellenz.«
    Kurz wirkte der Zar verblüfft. »Verzeihen Sie mir, Pekkala«, sagte er. »Ich habe kein Recht, so zu reden.«
    »Es gibt nichts zu verzeihen«, erwiderte Pekkala. Es war das einzige Mal, dass er dem Zaren gegenüber nicht die Wahrheit sagte.

K irows Stimme riss Pekkala in die Gegenwart zurück.
    »Was war mit Grodek?«, fragte Kirow. »Was ist aus ihm geworden?«
    »Nachdem die Ochrana das Versteck umstellt hatte, kam es zu einem Feuergefecht, wobei die Agenten mit Waffen unter Beschuss genommen wurden, die die Ochrana selbst an Grodek geliefert hatte. Am Ende waren von den ursprünglich sechsunddreißig Mitgliedern der Terrorzelle nur noch vier am Leben. Aber Grodek war, genau wie Maria Balka, einfach verschwunden. Daher schickte der Zar nach mir und ordnete an, Balka und Grodek zu verhaften, bevor sie weitere Morde verüben konnten.« Er stieß einen tiefen Seufzer aus. »Es gelang mir nicht.«
    »Aber Sie haben sie gefunden?«
    »Nicht bevor sie weitere Morde auf dem Gewissen hatten. Ich spürte sie in einer kleinen Pension in der Maximilian-Gasse im Kasan-Bezirk auf. Dem Hausbesitzer war der Altersunterschied zwischen den beiden aufgefallen. Er nahm an, dass sie eine Affäre hatten, etwas, was Pensionswirte gewöhnlich geflissentlich übersehen. Aber die beiden brachten Kartons mit auf ihr Zimmer, und als er sie fragte, was darin sei, sagte Balka, es handle sich um Bücher. Nun, ein Liebespärchen verkriecht sich nicht den lieben langen Tag, um Bücher zu lesen. Deshalb verständigte er die Polizei. Wir hatten schnell das Haus umstellt. Ich wartete im Hinterhof, Ochrana-Agenten am Vordereingang. Wir gingen davon aus, dass sie durch die Hintertür flüchten würden.
    Aufgrund seiner Polizeiausbildung aber bemerkte Grodek, dass unsere Agenten Stellung bezogen hatten. Als sie die Tür zum Zimmer der beiden eintraten, explodierte ein Sprengsatz, der die gesamte Vorderfassade des Gebäudes zum Einsturz brachte. Grodek hatte ihn gebaut und damit die Leute getötet, die ihn in der Kunst des Bombenbauens unterrichtet hatten. Wir hatten vier Agenten zu beklagen, zudem wurden sechzehn Zivilisten getötet. Ich selbst war nach der Explosion kaum noch bei Bewusstsein. Bis ich mich wieder aufgerappelt hatte, waren Balka und Grodek durch den Hinterausgang geflüchtet.
    Ich jagte ihnen auf der Moika-Straße am Newa-Ufer hinterher. Es war mitten im Winter, die Straßen versanken knöcheltief im Matsch, zu beiden Seiten türmte sich der Schnee. Unmöglich, einen gezielten Schuss anzubringen. Irgendwann rutschte Balka aus und musste sich dabei den Knöchel gebrochen haben. Auf der Potsulejew-Brücke holte ich sie schließlich ein. Die Polizei kam uns aus der anderen Richtung entgegen. Es gab keine Deckung mehr für die beiden, und ich hatte sie im Visier.«
    Pekkala hielt inne, schloss die Augen und massierte sich den Nasenrücken.
    »Und was als Nächstes geschah, ging mir seither nicht mehr aus dem Kopf. Am höchsten Punkt des Brückenbogens blieben sie stehen. Ich hörte die Rufe der Polizisten auf der anderen Seite. Balka war ganz offensichtlich verletzt. Grodek hatte sie mehrere Straßenzüge abwechselnd getragen

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