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Roter Zar

Roter Zar

Titel: Roter Zar Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sam Eastland
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gefangen gehalten.«
    »Er ist bei einem Ausbruchsversuch erschossen worden, oder?«
    »Nicht ganz«, sagte Kropotkin. »Michail war anscheinend mit einer Gruppe von Leuten im Kontakt, die sich als Anhänger des Zaren ausgegeben haben. Michail ist ihren Anweisungen gefolgt, und wenige Wochen vor der Hinrichtung des Zaren ist er seinen Wachen entkommen. Was ihm leider nicht klar war: Die Männer, die versprochen haben, ihn zu retten, waren in Wirklichkeit Mitglieder der Tscheka. Sie haben ihn hintergangen. Kaum war er auf der Flucht, ist er von ihnen niedergeschossen worden.« Kropotkin zuckte mit den Schultern. »Danach hat uns der Zar möglicherweise nicht mehr vertraut, wer konnte es ihm schon übelnehmen? Aber ich hätte mit Freuden mein Leben dafür gegeben, um ihn zu retten. Und wenn es geklappt hätte, wer weiß? Dann würde es in diesem Land heute vielleicht anders aussehen.«
    »Ich habe mit einigen Leuten gesprochen, die meinen, ein oder gar mehrere Zarenkinder könnten noch am Leben sein.«
    »In solchen Äußerungen spiegelt sich nur das schlechte Gewissen der ganzen Stadt wider. Die Leute haben vielleicht geglaubt, dass der Zar und die Zarin für die Verbrechen verantwortlich waren, die ihnen von den Politikern in Moskau vorgeworfen wurden, aber keiner, der noch recht bei Trost war, hat davon überzeugt werden können, dass auch die Kinder den Tod verdient hätten. Im schlimmsten Fall hätte man ihnen vorwerfen können, dass sie verzogen waren. Dass sie abgeschottet von der Welt gelebt haben. Aber dafür konnten sie nichts, und es war auch schwerlich ein Verbrechen. Natürlich hat es welche gegeben, die den Zaren gehasst haben, noch bevor er in Swerdlowsk eingetroffen war, aber solche gibt es immer. Es gibt immer Menschen, die denen, die mehr haben als sie, Hass und Verachtung entgegenbringen. Außerdem ist es leicht, jemanden aus der Ferne zu hassen. Aber als der Zar mitsamt seiner Familie hier war, mussten sie in ihm plötzlich einen ganz normalen Menschen sehen. Und um eine unbewaffnete, wehrlose Familie zu ermorden, braucht es mehr als Hass. Deshalb dürfen in den Geschichten, die man Ihnen erzählt, die Kinder immer entkommen.«
    »Sie glauben also nicht, dass es Überlebende gab?«
    »Wenn es welche gäbe«, erwiderte Kropotkin, »hätten wir längst von ihnen gehört. Es gibt natürlich noch eine andere Möglichkeit.«
    »Die wäre?«, fragte Pekkala.
    »Dass dem Zaren eine andere Fluchtmöglichkeit angetragen wurde.«
    »Aber er hatte doch nur über Sie Kontakt zur Außenwelt, oder?«
    »Ich meine auch nicht, dass ihn jemand von außen angesprochen hat«, sagte Kropotkin. »Ich meine jemanden im Ipatjew-Haus.«
    »Sie meinen die Tscheka?«
    Kropotkin zuckte die Achseln. »Vielleicht wollten sie ihn wie den Großfürsten Michail auf der Flucht erschießen.«
    Pekkala schüttelte den Kopf. »Der Zar wurde nicht auf der Flucht erschossen.«
    »Dann hatte vielleicht wirklich einer aus der Tscheka vorgehabt, ihn zu befreien.«
    »Das erscheint mir so gut wie ausgeschlossen«, sagte Pekkala.
    »Halten Sie es wirklich für so unwahrscheinlich, dass jemand das alles auf sich nimmt, um den Zaren zu retten?«, fragte Kropotkin. »Dass Sie überlebt haben, grenzt doch ebenfalls an ein Wunder.«
    »Das Gleiche gilt für Sie«, entgegnete Pekkala. »Die Kommunisten müssen doch zumindest geahnt haben, dass Sie mit den Weißen kollaboriert haben, trotzdem wurden Sie zum Polizeichef von Swerdlowsk ernannt.«
    »Die Roten haben jemanden gebraucht, der für Ruhe und Ordnung sorgt«, erklärte Kropotkin. »Sie konnten es sich damals nicht leisten, wählerisch zu sein. Und seitdem konnten sie sich nicht dazu aufraffen, mich wieder loszuwerden. Aber dieser Tag wird kommen. In diesem Land hat man nur dann eine Zukunft, wenn man keine Vergangenheit hat. Dieser Luxus ist weder Ihnen noch mir vergönnt, und früher oder später werden wir den Preis dafür zahlen.«
    »Was werden Sie tun, wenn man Sie nicht mehr braucht, Kropotkin?«
    Kropotkin zuckte mit den Schultern. »Meine Arbeit mag sich ändern, die Dinge aber, die mir wichtig sind und für die ich bereit bin, mein Leben aufs Spiel zu setzen, ändern sich nicht.«
    »Damit sind Sie für die gegenwärtigen Machthaber ein gefährlicher Mann.«
    »Nicht halb so gefährlich wie Sie, Inspektor Pekkala. Ich bin nur aus Fleisch und Blut, mich kann man spurlos verschwinden lassen. Aber um Sie loszuwerden«, sagte Kropotkin und lächelte, »ist wesentlich mehr Aufwand

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