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Rotes Gold: Ein kulinarischer Krimi. Xavier Kieffers zweiter Fall

Rotes Gold: Ein kulinarischer Krimi. Xavier Kieffers zweiter Fall

Titel: Rotes Gold: Ein kulinarischer Krimi. Xavier Kieffers zweiter Fall Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tom Hillenbrand
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schaute er in das strahlende, ekstatisch verzerrte Gesicht Allégrets. »Ortolan ist für mich die Seele der französischen Küche. Wir Franzosen essen Dinge nicht nur, wie es andere Völker tun. Wir verschlingen sie ganz, ihr Wesen, ihre Seele, ihre wahre Natur. Und nirgendwo ist dieses Erlebnis vollkommener als bei einem Ortolan.«
    Der Bürgermeister lehnte sich zurück. Er atmete schwer. »Lieber Xavier, Sie sehen etwas fahl aus. Aber glauben Sie mir, es war nötig, Sie zu prüfen. Nun weiß ich, dass Sie in kulinarischen Dingen ein Franzose sind, kein Deutscher oder Belgier. Nun erkenne ich, was für ein Mensch Sie sind.«

    Kieffer sagte nichts und nahm stattdessen einen großen Schluck Bordeaux, um den Geschmack des Ortolans aus seinem Mund zu vertreiben.
    »Nun weiß ich, dass Sie es herausfinden werden. Sie haben vorhin gesagt, Sie seien keine Spürnase. Aber das stimmt nicht, Xavier. Sie gehen den Dingen auf den Grund. Sie haben die Befähigung, die tiefe Wahrheit zu ergründen.«
    »Ich verstehe nicht ganz.«
    Allégret war nun aufgestanden und gab einem der Kellner ein Zeichen. »Thomas von Aquin sagt uns, Wahrheit sei die Übernahme der Dinge mit dem Verstand. Aber der große Dominikaner hat unrecht. Eine Vorstellung von Dingen gewinnt man nur durch Anschauung, Erfahrung und Inbesitznahme. Letztlich kann man ein Ding nur verstehen, indem man es liebt, es tötet oder es isst.«
    Er spuckte etwas in seine Handfläche und legte es auf den Teller. Es war der winzige Schnabel des Ortolans. »Wie dieser Vogel. Ich erkenne ihn jetzt, ich erkenne seine Wahrheit.«
    Die Tür öffnete sich. »Und Sie kennen sie auch. Und deshalb werden Sie die Wahrheit über Mifune herausfinden. Wenn nicht mit Ihrem Kopf, dann mit Ihrem Bauch, Ihren Händen oder Ihrem Schwanz. Auf Wiedersehen.« Ohne ein weiteres Wort verschwand er.
    Kieffer ließ sich zu der schwarzen Limousine bringen, die draußen auf ihn wartete. Nachdem sie einige Minuten gefahren waren, bat er den Chauffeur, anzuhalten. Dann stieg er aus und erbrach sich, immer wieder, bis sein Magen völlig leer war.

[Menü]
7
    Wenn der Fahrer über sein Verhalten verärgert oder erstaunt war, ließ er sich zumindest nichts anmerken. Möglicherweise kennt er das schon, dachte Kieffer. Sybaritische Gourmands aus Allégrets Freundeskreis, die sich an Foie gras überfressen, zuviel zuckrigen Gewürztraminer saufen und ihm dann die ganze Limousine vollspeien.
    »Fahren Sie mich jetzt wieder zurück nach Luxemburg-Stadt?«, fragte Kieffer.
    »Ich fahre Sie, wohin immer Sie wollen, Monsieur. Dieser Wagen der städtischen Fahrbereitschaft wurde den ganzen Tag für Sie reserviert«, antwortete der Chauffeur.
    Er dachte kurz nach. Es gab aus seiner Sicht nur zwei Spuren, die zu verfolgen es sich lohnte. Die eine war das Restaurant Ryuunosuke Mifunes, die andere der Luxemburger Fischhändler. Wenn dieser, wie Allégret angedeutet hatte, auf Sushibars spezialisiert war, würde er in Paris vielleicht sogar mehr über den Mann in Erfahrung bringen können als in Luxemburg.
    »Dann fahren Sie bitte nach Paris, zum Restaurant von Ryuunosuke Mifune. Es heißt ›Ue no tai‹, glaube ich.«

    »Gerne, Monsieur Kieffer.«
    Sie fuhren von Süden über die Autoroute du Soleil in die Metropole und blieben auf dem Innenstadtring prompt im Stau stecken. In dem geheizten Fondsitz der schallgedämpften Limousine nickte Kieffer irgendwann ein und erwachte erst wieder, als der Chauffeur vor Mifunes Restaurant hielt. Genauer gesagt hielt der Fahrer vor einer Fassade mit großen quadratischen Fenstern, die komplett zugewachsen zu sein schien. Allerdings nicht mit Efeu – vielmehr sah es aus, als habe jemand Grassoden auf die Außenwände geklebt. Waagerecht standen grüne Büschel von dem Gebäude ab, vereinzelt sah er dazwischen Gänseblümchen herausragen, die mit der Schwerkraft kämpften. Kieffer entsann sich dunkel, das Haus schon einmal gesehen zu haben. »Da drin ist das Restaurant? Was ist das für ein Gebäude?«
    Er merkte, wie der Fahrer ihn durch den Rückspiegel etwas irritiert musterte. »Das ist das Musée du Quai Branly, Monsieur.«
    Nun erinnerte er sich an das extravagante Bauwerk. »Und da ist es drin? Na gut.«
    Kieffer bat den Fahrer, ihn in einer Stunde hier wieder aufzulesen und stieg aus. Das Grasgebäude beherbergte nur einen kleinen Teil des Branly. Das Haupthaus war ein wuchtiger Bau, der aus zahlreichen rostroten Quadern bestand. Dieses Ensemble hatte der Architekt auf

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