Rotes Gold: Ein kulinarischer Krimi. Xavier Kieffers zweiter Fall
nirgendwo einen Aschenbecher. Stattdessen fragte er: »Aber wenn die PJ mit Hochdruck daran arbeitet, den Mörder zu finden, wozu benötigen Sie überhaupt meine Hilfe?«
»Weil ich den Mörder schnell finden muss. Und die PJ wird mir diesen Gefallen kaum tun. Kennen Sie sich mit Pariser Lokalpolitik aus?«
»Vermutlich so gut wie Sie sich mit Luxemburger Lokalpolitik. Oder nationaler Politik. Das ist bei uns dasselbe.«
»Bei uns auch, Xavier, bei uns auch. Der Chef der Pariser Kriminalpolizei heißt Serge Dupont. Und der mit dem Fall betraute Oberstaatsanwalt ist niemand anders als Léon Vernier.«
»Beide Herren sagen mir überhaupt nichts, fürchte ich.«
»Beide sind zufällig Mitglieder der Sozialistischen Partei, der PS . Ich gehöre, wie Sie vielleicht wissen, zum konservativen Lager. Und Vernier möchte gerne Bürgermeister anstelle des Bürgermeisters werden, bei den Wahlen im nächsten Jahr.«
Nun verstand Kieffer. Die Pariser Ermittler würden die Sache auf Geheiß ihres Chefs so lange wie möglich hinauszögern – und die einzigartige Gelegenheit nutzen, im Rahmen ihrer Ermittlungen nach verfänglichem Material über den schillernden Allégret zu suchen.
»Man will Sie fertigmachen?«
»Exakt. Meine Gegner werden überall herumschnüffeln, mindestens bis zur Wahl. Kein Stein wird auf dem anderen bleiben.«
Der Kellner brachte den dampfenden Kapaun, einen monströs fetten Vogel, der mit Kartoffeln und Trüffeln gefüllt war. Allégret beugte sich über die Platte und sog den Duft ein.
»Ich bin mir nicht einmal sicher, ob ich alle Ermittlungsergebnisse bekommen werde. Vermutlich bekommt sie die Presse lange vor mir, und die PS sowieso. Man will mich unter Kartätschenfeuer nehmen, monatelang. Deshalb müssen Sie mir helfen, Xavier. Sie sind der ideale Mann für diesen Job.«
Kieffer lächelte spöttisch. »Also, wenn Ihre beste Hoffnung ein übergewichtiger Koch ist, dann haben Sie vielleicht ein größeres Problem, als Sie denken. Ich bin wahrlich keine gute Spürnase.«
Allégret schüttelte tadelnd den Kopf, während er bedächtig kaute. »Sie haben das mit dem Gift en passant herausgefunden; schneller als alle anderen. Und außerdem«, er tupfte sich mit einer Serviette den vom Kapaunfett öligen Mund ab, »gibt es ja eine Spur nach Luxemburg.«
»Nach Luxemburg? Wie kann das sein?«
»Das weiß ich leider nicht so genau, denn alle Informationen, die mich in dieser Sache derzeit erreichen, erhalte ich über gewisse informelle Kanäle, von Menschen«, er lächelte Kieffer an, »die mir noch einen Gefallen schulden.«
Als der noch weitgehend intakte Kapaun abgetragen wurde, steckte sich Kieffer nun doch eine Zigarette an. Ein solch glühender Verfechter französischer Kultur wie der Pariser Bürgermeister konnte kaum etwas dagegen haben, dass jemand beim Essen rauchte. »Und wie genau sieht diese Spur aus?«
»Einer der Fischhändler, mit denen Mifune zusammengearbeitet haben soll, ist offenbar Luxemburger. Er heißt José Trebarca Silva.«
»Ich habe den Namen schon einmal irgendwo gehört.Ich glaube, er besitzt einen Großhandel in Esch-sur-Alzette.«
»Warum handelt ein Luxemburger mit Fisch?«, fragte Allégret. »Da gibt es ja nicht einmal einen Hafen.«
»Dem Namen nach zu urteilen ist er ein Lusobourges – ein Luxemburger portugiesischer Abstammung. Die sind bei uns so zahlreich wie in Deutschland die Türken oder bei Ihnen die Maghrebiner, eher noch zahlreicher. Ich vermute, dass der Mann gute Kontakte nach Portugal hat. Und wenn jemand etwas von Fisch versteht, dann sind es ja wohl die Portugiesen.«
»Sehen Sie jetzt, warum ich Ihre Hilfe brauche? Finden Sie heraus, warum Mifune sterben musste, so schnell es geht. Und falls Sie Auslagen haben, dann machen Sie sich deswegen keine Sorgen. Das regele ich. Betrachten Sie Ihr Spesenkonto als unbegrenzt. Wirklich unbegrenzt.«
Allégret ließ sich nun einen Rotwein einschenken. »Bordeaux passt am besten zu unserem Finale.« Er blickte Kieffer durchdringend an. »Da habe ich nämlich etwas Besonderes für Sie vorbereitet, mein lieber Xavier. Haben Sie schon einmal einen Ortolan gegessen?«
»Nein. Noch nie.«
Kieffer merkte, wie ihm etwas flau im Magen wurde. Valérie Gabin hatte ihn vorgewarnt, dass François Allégret jene, die er zu bezirzen, die er zu benutzen suchte, stets mit ausgefallenen Annehmlichkeiten und Gesten der Wertschätzung überhäufte. Und wenn ein ausgewiesener Gourmet wie der Bürgermeister einem Koch
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