Rotes Gold: Ein kulinarischer Krimi. Xavier Kieffers zweiter Fall
durften, zumindest nicht legal. Und wenn man uns Spaniern unseren Fisch klaut, verstehen wir keinen Spaß. Deshalb hat das Landwirtschaftsministerium der Region Murcia alle seine Farmen dichtgemacht. Und sie haben allen anderen spanischen und italienischen Behörden einen diskreten Tipp gegeben. Das ist nicht offiziell, denn eigentlich hat Silva bisher ja nicht einmal ein Strafgeld kassiert. Er hat noch ein paar Fischfabriken irgendwo, die aber nichts mit Thun zu tun haben. Die darf er natürlich weiter betreiben – aber ich garantiere Ihnen, dass dem Typen im ganzen EU – Mittelmeerraum niemand mehr eine Genehmigung für eine Thunranch erteilen wird.«
»Das muss doch ein finanzielles Desaster für ihn sein?«
»Vermutlich. Da er allerdings die zehn fettesten Jahre mitgenommen hat, die es für Thunfischer je gab und je geben wird, kann er es vielleicht verschmerzen. Er muss ein bisschen Ausrüstung abschreiben und das war’s. Außerdem bleiben ihm seine anderen Liegenschaften. Der Fischgroßhandel, den Sie erwähnten. Cateringfirmen und diverse Dienstleistungen rund um den Fisch. Er ist beispielsweise in der Kühltechnik aktiv. Ein cleverer Kerl, dieser Silva. War zwar Goldgräber, aber hat gleichzeitig Spaten und Schürfpfannen verkauft.«
»Das heißt wohl, dass der sehr billige Thun, der hier und in Paris kursiert, vermutlich nicht von Silva stammen kann, oder?«
»Glaube ich nicht. Erstens könnte er teurer an Yatsuishi verkaufen. Und zweitens hat er keinen mehr.«
»Letzte Frage: Kennen Sie einen Thunhändler namens Prezzemolo?«
»Tut mir leid, der ist mir unbekannt. Ich höre mich gerne mal um. Jetzt hätte ich auch noch eine Frage, Herr Kieffer.«
»Fragen Sie.«
»Dieser Billigthun, von dem Sie erzählen, ist der von guter Qualität?«
»Ich habe ihn ehrlich gesagt noch nicht zu Gesicht bekommen. Warum?«
»Wenn Sie welchen auftreiben können, dann rufen Sie mich an. Aus Fischen kann man sehr viel herauslesen. Was sie gegessen haben, wie sie lebten – und mithilfe eines Labors natürlich auch, ob sie beispielsweise Wachstumshormone verabreicht bekamen. Unsere Leute machen immer mal wieder Stichproben auf verschiedenenFischmärkten – aber der Bluefin, dem Sie da offenbar auf der Spur sind, der würde mich natürlich brennend interessieren.«
»Warum?«
»Na, ich bitte Sie, billiger Bluefin! Das ist so, als ob jemand Goldbarren unter Marktwert verkaufen würde. Dahinter muss eine besonders ausgekochte Schweinerei stecken.«
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14
Am nächsten Morgen musste er früh aufstehen, um sich auf dem Großmarkt in Deutschland mit frischem Fleisch und Geflügel einzudecken. Er war hundemüde und selbst das Fauchen und Kreischen seiner alten Vibiemme und der aus ihrem Getöse resultierende dreifache Espresso reichten nicht aus, ihn auf die Beine zu stellen. Die zwanzigköpfige Reisegruppe am Vorabend hatte sich als australischer Herrenclub entpuppt. Trinkfreudige Australier waren eine Spezies, mit der er bis dato noch nicht zu tun gehabt hatte. Kieffer machte sich eine geistige Notiz, diese Nationalität in seiner Anstrengende-Gäste-Skala zu vermerken, und zwar gleich hinter den Russen. Erst gegen zwei Uhr morgens war er die Aussies losgeworden – und das auch nur, weil er ihnen ein Pub in der Nähe hatte nennen können, in dem es noch ein frisch gezapftes Bier gab. Donnegan würde ihn dafür vermutlich hassen, aber das war ihm zumindest in jenem Moment egal gewesen.
Um unbeschadet zu dem Großmarkt bei Trier zu gelangen, benötigte er einen weiteren Becher Kaffee sowie die Hilfe der Talking Heads. Nur die dröhnendenDissonanzen aus David Byrnes Kehlkopf bewahrten ihn davor, am Steuer wegzudösen. Erst die körperliche Arbeit machte ihn halbwegs wach. Kieffer wuchtete mehrere Rinderfilets, eine Kiste Bresser Poularden sowie allerlei Gemüse in seinen Peugeot-Lieferwagen. Dann machte er sich wieder auf den Heimweg. Zur Sicherheit drehte er die scheppernde Anlage seines Wagens erneut auf. Weil ihm Byrne allmählich Kopfschmerzen zu verursachen drohte, tauschte er die Heads-Kassette gegen ein altes U2-Album. Während der Rückfahrt dachte er über das Gespräch mit Alvarez, dem Fischdetektiv, nach und versuchte, es in den Rest der Geschichte hineinzubekommen. Nach wie vor erschien ihm der ganze Fall äußerst undurchsichtig. Mifune war offenbar vergiftet worden, von wem, das war unklar. Der Sushimeister hatte lange Zeit mit dem Fischdealer Prezzemolo zusammengearbeitet, den er dann wegen
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