Rotes Gold: Ein kulinarischer Krimi. Xavier Kieffers zweiter Fall
vollautomatisierten Restaurant passte vielleicht in einen Science-Fiction-Film aus den fortschrittsgläubigen Fünfzigern, erschien ihm aber als viel zu weit hergeholt, als dass ein Experte wie Trebarca Silva es glauben würde. Er hatteseine Meinung erst geändert, als Toro ihm versichert hatte, die Geschichte sei ihm keineswegs bei einem Joint eingefallen; es gebe solche Restaurants in Japan tatsächlich, und zwar zu Hunderten. Der Thunhändler schien das Ganze ebenfalls für einleuchtend zu halten, denn er nickte bedächtig. »Ich verstehe. Ich meine, darüber schon einmal etwas gelesen zu haben. Gut, dass jemand die Sache in Europa in die Hand nimmt. Was soll das Sushi in diesem Roborestaurant kosten?«
»In Japan liegt der Preis bei etwa 100 Yen, also rund einem Euro. Das wäre auch unser gewünschter Preispunkt. Aber dazu müssen wir sehr billig einkaufen.«
»Dann sollten Sie vielleicht keinen Bluefin auf die Karte setzen.«
»Monsieur Silva, Sie wissen genauso gut wie ich, dass Sushi ohne Bluefin wie McDonald’s ohne Pommes ist. Verzicht ist keine Option, deshalb wollen wir ganze Tiere kaufen und sie selbst filetieren, um so einen niedrigeren Preis als bei den vorgefertigten Toppings zu bekommen.«
Trebarca Silva lehnte sich zurück. »Also gut. Ich habe, was Sie brauchen, Sushi-Qualität zu bezahlbaren Preisen. Ich kann Ihnen gerne ein Angebot erstellen. Ich verfüge außerdem über die notwendige Logistik und die Kühlkette. Meine Fische sind blast frozen, ich kann sie zu jedem Flughafen expedieren, den Sie mir nennen, üblicherweise binnen 24 bis 48 Stunden.«
»Können wir einen Fisch bekommen, sagen wir, einen 200-Kilo-Thun? Als Geschmacksprobe, gewissermaßen?«
»Das ist möglich. Der Preis dürfte um die 90000 Euro liegen.«
Kieffer rechnete im Kopf kurz nach. Er hatte sichvorab über die Bluefinpreise informiert, die in Tsukiji, Vigo oder auf dem Rungis aufgerufen wurden. Trebarca Silvas Angebot lag mindestens 10 Prozent darunter, eher 15. »Es ist mir unangenehm, aber ich müsste da noch zwei weitergehende Fragen stellen.«
Trebarca Silva schmunzelte. »Sie meinen, Sie müssen zwei Fragen stellen, die mir unangenehm sind.«
»Da wäre zunächst der Preis. Warum ist Ihr Fisch so günstig?«
»Weil ich alles selber mache. Beim Thun gibt es, wie Sie sicherlich wissen, eine komplizierte Wertschöpfung. Irgendwer fängt die Tiere, dann kommen sie in eine Aufzucht, später müssen sie geschlachtet und schockgefroren werden. Normalerweise sind daran viele verschiedene Zwischenhändler beteiligt. Bei uns hingegen kommt alles aus einer Hand, wir besitzen die ganze Lieferkette. Vertikale Integration nennt man das. Sie haben meine Büros hier vorne gesehen, das ist alles auf dem neuesten Stand. Dadurch bin ich in der Lage«, Trebarca Silva setzte ein besonders gewinnendes Kaufmannslächeln auf, »enorme Kostenersparnisse für meine Kunden zu realisieren.«
»Ich verstehe. Meine zweite Frage bezieht sich auf eine Untersuchung der EU .«
Das Lächeln in Silvas Gesicht fror ein und begann an den Rändern wegzubröckeln. »Woher … worauf beziehen Sie sich?«
Kieffer hob beschwichtigend die Hände. »Mir ist bei meinen Vorrecherchen zu Ohren gekommen, dass die spanischen Behörden und die EU – Fischereiaufsicht einige Ihrer Zuchtanlagen geschlossen haben. Und nun würde mein Auftraggeber natürlich gerne wissen, warum.«
Das Lächeln war inzwischen völlig aus Silvas Gesicht verschwunden, doch ansonsten schien der Thunhändler seine Fassung wiedergewonnen zu haben. »Ich kann Ihnen versichern, dass es nichts mit der Qualität des Fisches zu tun hatte und auch nichts mit unserem Geschäftsgebaren. Ärgerlicherweise hatte unser Manager vor Ort einige Hilfskräfte aus Nordafrika eingestellt, deren arbeitsrechtlicher Status … ungeklärt war. Das haben die örtlichen Behörden moniert, zu Recht. Ich habe die Leute natürlich sofort gefeuert.«
Kieffer fragte sich, ob Trebarca Silva damit auch den Manager meinte oder nur die Schwarzarbeiter. »Und deswegen hat man Ihren gesamten Betrieb stillgelegt?«
Trebarca Silva nickte traurig. »Im Thungeschäft wird mit harten Bandagen gekämpft – und trotz des Gemeinsamen Marktes ist es im Wesentlichen ein Business, in dem Nationalstaaten miteinander in Konkurrenz stehen. Ich bin zwar luxemburgischer Staatsbürger, aber für die Spanier da unten bin ich ein Portugiese. Und dass ausgerechnet ein Portugiese vor ihrer Küste eine Thunfischzucht betreibt, war
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