Rotes Gold: Ein kulinarischer Krimi. Xavier Kieffers zweiter Fall
anzusehen. Er nahm sein Handy aus der Tasche und wählte die Nummer des spanischen EU – Kontrolleurs.
»Alvarez, ja bitte?«
»Xavier Kieffer hier. Sie sagten doch, ich solle mich melden, wenn ich etwas über Trebarca Silva herausfinde.«
»Und?«
»Er verkauft weiterhin Thun und behauptet, er habe noch andere Quellen außer seinen Farmen vor Cartagena.«
Alvarez pfiff durch die Zähne. »Interessant. Hat er Details zum Fisch verraten?«
»Nein, aber ich bekomme einen.«
»Einen ganzen Bluefin?«
»Ja. Und ich dachte, vielleicht möchten Sie sich das Tier anschauen.«
»Donnerwetter, das würde ich in der Tat gerne. Hören Sie, Kieffer, ich habe morgen ohnehin einen Termin in Brüssel. Von dort bis zu Ihnen ist es nicht sonderlich weit, oder?«
»Etwa zweieinhalb Stunden mit dem Auto.«
»Fantastisch. Sagen wir so gegen 20 Uhr? Halten Sie mir den Fisch bis dahin schön kalt.«
»Mache ich.« Dann legte Kieffer auf und fuhr zurück zum »Deux Eglises«.
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16
Kieffer hatte den Bluefin zunächst selbst vom Luxemburger Flughafen abholen wollen, sich dann aber mit Rücksicht auf seine Bandscheiben eines Besseren besonnen. Inklusive des sogenannten Coffins, jener sargartigen Kühlbox, in der ganze Thunfische für den Transport verpackt wurden, wog der Fisch gut und gerne 250 Kilo, so viel wie ein Klavier. Der Koch hatte stattdessen einen Spediteur beauftragt, das Monster anzuliefern und es in seinen Keller zu schaffen. Drei Männer hatten den Thun am Morgen auf sein Laufband gewuchtet, wo er nun seit über zehn Stunden in einer riesigen Metallwanne auftaute.
Am späteren Nachmittag waren bereits Kaneda Hashimoto und Pekka Vatanen eingetroffen. Die beiden hatten es sich in Kieffers Keller bequem gemacht und leisteten dem Bluefin Gesellschaft. Das Untergeschoss des »Deux Eglises« war riesig, viel größer als die Grundfläche des Gebäudes es vermuten ließ. Während der napoleonischen Besatzung hatte das Haus ein Munitions- und Waffendepot beherbergt sowie mehrere Arrestzellen. Deshalb hatte man unterhalb des Hauses Kavernen undGänge in den Bockfelsen gehauen und gesprengt. Kieffer verwendete sein Kellergewölbe vor allem als Cave, als Weinlager. Das wusste natürlich auch Vatanen, der, während er sich von Hashimoto die Feinheiten der Thunfischzubereitung erläutern ließ, mit dem Sushikoch verschiedene von Kieffers Weinen degustierte. Der Japaner und der Finne schienen sich prächtig zu verstehen, was Kieffer nicht anders erwartet hatte. Er ließ die beiden gewähren, denn er hatte noch in der Küche zu tun. Erst gegen sieben Uhr stieg er nochmals in den Keller hinab. »Wie erkenne ich Alvarez eigentlich, wenn er auftaucht, Pekka?«
»Einfach«, erwiderte der Finne, der gerade dabei war, mehrere Flaschen Jahrgangsriesling in einer Reihe aufzustellen, vermutlich der Beginn einer weiteren Degustationsrunde. »Er sieht genauso aus wie Bud Spencer.«
»Dieser italienische Haudruff?«
»Eben jener.«
Kieffer ging wieder nach oben und behielt den Parkplatz im Auge. Gegen halb acht fuhr ein Taxi vor. Aus dem Wagen kletterte ein Mann, der sichtlich Mühe hatte, den Fond zu verlassen. Als er sich auf die Autotür aufstützte, schien der Mercedes in die Knie zu gehen. Der Mann wog sicher weit über 100 Kilo und war fast zwei Meter groß. Pedro Alvarez, denn nur um ihn konnte es sich handeln, hatte kaum noch Haare auf seinem braun gebrannten Kopf, glich dies jedoch durch einen teerfarbenen Vollbart aus, der das untere Gesicht und den Hals vollkommen bedeckte. Über seinem Anzug trug er einen sandfarbenen Trenchcoat, aus dessen Stoff man mehrere Kinderjacken hätte schneidern können. Schnaufend wuchtete der Hüne einen riesigen Aktenkoffer aus demKofferraum und watschelte dann auf das Lokal zu. Kieffer empfing ihn an der Eingangstür. »Monsieur Alvarez, willkommen. Es freut mich, dass Sie es einrichten konnten. Wie war Ihre Reise?«
»Im Großen und Ganzen unerfreulich und vor allem vergeblich. Ich wollte den Mitgliedsstaaten mehr Budget abtrotzen. Aber da ist nichts zu machen, totale Ebbe. Diese Brüsseler Landratten interessieren sich nicht für Fisch. Und politisch opportun ist Geld ausgeben auch nicht, in Zeiten, wo ganze Mitgliedsstaaten pleitegehen. Na ja, das Meer ist ebenfalls bald bankrott, nur das scheint niemanden zu stören.«
Alvarez stellte den Koffer ab und tupfte sich mit einem Taschentuch Schweiß von der breiten Stirn.
»Kann ich Ihnen etwas anbieten? Wasser? Einen
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