Rotes Gold: Ein kulinarischer Krimi. Xavier Kieffers zweiter Fall
Riesling?«
»Ihr Luxemburger habt doch bestimmt gutes Bier?«
»Haben wir.«
»Dann würde ich eines nehmen, wenn es keine Umstände macht. Fisch muss schwimmen und so weiter.«
Kieffer brachte Alvarez eine Flasche Mousel und geleitete ihn in den Keller. Der Spanier war beeindruckt. »Sind das die Luxemburger Kasematten?«, fragte er. Er meinte jene weitläufigen Befestigungsanlagen, die den Bockfelsen über viele Kilometer durchzogen und Luxemburg den Spitznamen »Gibraltar des Nordens« eingebracht hatten.
»Nicht ganz, die liegen weiter südwestlich. Das hier ist meine private Cave.«
Als sie unten angekommen waren, begrüßten sich Vatanen und Alvarez mit einer herzlichen Umarmung. Kieffer stellte seinen japanischen Freund vor und versuchte, noch etwas Smalltalk zu machen. Doch er merkte bald, dass Alvarez nur Augen für den Fisch hatte. Der Thun, der im hellen Neonlicht der Deckenleuchten vor ihnen lag, war etwa 2,20 Meter lang. Er war weitgehend unversehrt, bis auf einige Einschnitte. Die Bauchhöhle war bereits geöffnet worden, und die mächtige Schwanzflosse fehlte, wodurch der Fisch noch stärker einem Torpedo oder einer großen Mörsergranate glich. Die Augen hatte man dem Thun bereits nach dem Fang ausgestochen.
Alvarez trank einen Schluck Mousel. Dabei schaute er über die Flasche hinweg und musterte den Bluefin. Dann ging er langsam um den Fisch herum. »Nordatlantik-Thun, Thunnus thynnus. Ein durchaus beachtliches Exemplar.«
»Wegen der Größe?«
»Ja, ich würde den Fisch auf 220 Kilo schätzen.«
Kieffer schaute auf seinen Lieferschein. »Fast korrekt. 215 Kilo.«
»Solche Kaventsmänner«, sagte Alvarez und zeigte mit der Bierflasche auf den Fisch, »gibt es nicht mehr viele. Was man draußen fängt, ist in der Regel viel kleiner. Er dürfte also aus einer Farm stammen.«
»Das kannst du alles sehen?«, fragte Vatanen. »Du solltest im Fernsehen auftreten.«
Der Spanier schüttelte den Kopf. »Nein, das ist nur eine Arbeitshypothese. Sehen können wir das erst, wenn unsere Köche den Jungen auseinandernehmen.«
»Wie macht man das? Hast du eine Kettensäge, Toro?«
Der Japaner musterte Vatanen mit einem etwas beleidigten Blick. »Wir machen es auf die traditionelle Art und Weise.« Hashimoto ging zu einer der Arbeitsplatten und griff sich eine dort liegende flache Holzschachtel von fast zwei Metern Länge. Sie sah aus wie eine jener Kisten, in denen Profispieler ihre Billardqueues zu transportieren pflegen. Er öffnete sie und entnahm ihr ein gerades Messer mit Sägezahnschliff, das inklusive seines Holzgriffs in etwa so lang wie ein Männerarm war. Er prüfte etwa eine Minute lang die Klinge, indem er Fingerkuppen und Nägel in einer anscheinend genau einstudierten Abfolge von Bewegungen an verschiedenen Stellen des Stahls ansetzte. Dann stellte er sich vor den Fisch und verneigte sich leicht. Vatanen konnte ein vergnügtes Schnauben nicht unterdrücken. »Ich wusste nicht, dass das Filetieren von Fisch so ritualisiert ist. Wir in Finnland schneiden ihn einfach in Stücke.«
»Ihr in Finnland habt auch keine so großen Fische. Wir Japaner schauen uns den Thun erst genau an, bevor wir ein Messer reinstecken. Ein falscher Schnitt und die Filets sind hinüber.« Hashimoto begann nun, das Messer einige Zentimeter hinter den Kiemen durch die zentimeterdicke lederne Haut des Fisches zu stoßen. »Zunächst trenne ich den Kopf ab«, keuchte er. »Das ist der einfache Teil. Es ist sowieso Wahnsinn, dass ich das hier mache.«
»Wieso?«, fragte Kieffer. »Du bist doch Sushi-Koch.«
»Eben. Ein Koch. Bluefin zu schneiden ist aber eine Kunst, dafür gibt es auf dem Tsukiji spezielle Shokunin, Handwerker.«
»Und was können die, was du nicht kannst? Ist Filetieren nicht gleich filetieren?«
Hashimoto hatte sich mit kurzen, kontrollierten Sägebewegungen seiner schmalen Klinge inzwischen durch die Wirbelsäule des Fisches gearbeitet und säbelte nun die untere Hautschicht durch.
»Jeder Fisch ist anders. Deshalb beginnt ein wahrer Meister mit dem Maguro no kaiwa.«
»Was bedeutet das? Maguro ist der Thun, oder?«
Mit einem Knirschen durchtrennte der Japaner die letzten Hautstücke und zog das Messer heraus, das er nun umgehend mit einem feuchten Tuch zu säubern begann. »Den Kopf könnt ihr wegtun. Macht es zu zweit, er wiegt gut und gerne 30 Kilo.« Er setzte sich und nahm einen Schluck Weißwein. »Ich weiß nicht, wie man es übersetzen soll. Wörtlich hieße es wohl ›Das
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