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Rotes Gold: Ein kulinarischer Krimi. Xavier Kieffers zweiter Fall

Rotes Gold: Ein kulinarischer Krimi. Xavier Kieffers zweiter Fall

Titel: Rotes Gold: Ein kulinarischer Krimi. Xavier Kieffers zweiter Fall Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tom Hillenbrand
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vierte Portion. »Funktionieren wird es trotzdem nicht.«
    »Warum nicht?«, wandte Vatanen ein. »Für mich klingt es so, als ob die Sache schon relativ weit gediehen wäre.«
    »Moment«, sagte Alvarez, »ich sage nicht, dass es technisch nicht funktionieren wird. In ein paar Jahren wird man den Zyklus perfektioniert haben, vielleicht ist es sogar schon so weit. Aber was man ja erreichen möchte, ist den Bluefin im großen Stil zu züchten, um sein Fleisch dann zu verkaufen. Daraus wird allerdings nichts, denn die Kosten sind zu hoch.« Der Spanier spießte ein Stück Wildschwein mit der Gabel auf und hielt es Vatanen unter die Nase. »Rotes Fleisch. Wie wir alle wissen, ist die Energie, die aufgewendet werden muss, um ein Kilo Rind oder Schwein zu produzieren, ziemlich hoch, im Vergleich zu Gemüse oder Reis.«
    »Und Fisch liegt irgendwo dazwischen«, sagte Vatanen.
    »Mag sein«, erwiderte Alvarez, »aber das gilt nicht für Thun. Bluefins haben einen Metabolismus wie ein Fusionsreaktor. Sie müssen ihr Blut auf über 30 Grad halten, bei einer Außentemperatur von nicht mal zehn Grad. Außerdem schwimmen sie irre schnell. Die Tiere haben also einen mordsmäßigen Energiebedarf. Es gibt eine sogenannte Feed-to-flesh-Rate. Die gibt an, wie viele Kilo Futter man in ein Tier hineinstopfen muss, damit es ein Kilo zunimmt. Bei Kabeljau oder Lachs liegt die in etwa bei fünf. Bei Thun beträgt sie 20. Zudem wächst erunfassbar langsam – es dauert Jahre, bis der Fisch ausgewachsen und geschlechtsreif ist. Und das ist noch nicht alles. Thunnus thynnus ist ein Feinschmecker. Den kann man nicht wie einen Lachs mit irgendwelchen Pellets aus Fischmehl füttern. Er verschmäht so ziemlich alles außer frischen Sardinen, Scampi oder Tintenfischen.« Alvarez ließ das Ragoutstück in seinem Bart verschwinden und spülte mit Mousel nach, bevor er fortfuhr. »Langer Rede kurzer Sinn: Technisch mag es möglich sein, Bluefin zu züchten. Betriebswirtschaftlich ist es unmöglich. Das taugt nicht mal als Steuersparmodell.«
    »Pedro, haben Sie eventuell die Möglichkeit, etwas von unserem Fisch analysieren zu lassen?«
    »Habe ich. Am besten Sie schicken es direkt an unser Labor, dort können wir überprüfen, was in diesem Fisch so alles drinsteckt.«
    Betäubt von dem reichhaltigen Essen und den insgesamt drei Flaschen Rotwein, die sie zu viert geleert hatten, saßen sie nun eine Weile um den Tisch herum und redeten nicht viel. Kieffer ließ Espressi sowie eine Runde Drëpp kommen, luxemburgischen Obstschnaps, um sich und seine Gäste ein wenig zu renovieren. Dann sagte er: »Ihr seid bestimmt alle pappsatt, aber ich schlage dennoch vor, dass wir zumindest noch eine kleine Degustation machen.«
    Vatanen klatschte erfreut in die Hände. »Hast du etwa noch was von dem vorzüglichen Riesling bekommen?«
    »Nein, ich meinte unseren Thun. Wir haben über 200 Kilo davon in meinem Keller liegen – sollten wir den Fisch nicht zumindest probieren?«
    »Xavier, wäre es nicht vielleicht besser, wenn Pedro das Zeug erst einmal analysieren lässt?«

    »Mein Gott, Pekka, sei nicht so hasenfüßig. Ich glaube nicht, dass Trebarca Silva uns den Bluefin verkauft hat, weil er uns damit alle auf der Stelle töten will.«
    »Wahrscheinlich nicht«, konzedierte der Finne. »Und wenn doch, dann wäre das auf jeden Fall die wohl teuerste Mordwaffe aller Zeiten und wir kommen posthum alle ins Guinnessbuch.«
    »Holen Sie ihn schon«, brummte Alvarez und auch Hashimoto nickte. »Ich helfe dir.« Kieffer und der Japaner gingen in den Keller und schnitten ein Stück des dunkelroten Fleisches in portionsgerechte Happen. Hashimoto improvisierte einige Sashimi, rohe Thunstücke mit etwas Brunnenkresse, Sojatunke und Wasabi. Kieffer briet anschließend in der Küche zwei Thunsteaks scharf an; eines nur kurz, das andere ließ er so lange auf dem Grill, bis es durch war. Dann trugen sie das Ganze hinunter in den Speiseraum und begannen zu kosten.
    Kieffer probierte zuerst das Sashimi. Alvarez und Hashimoto hatten moniert, der Fisch sei zu fett und besitze zu wenig festes Muskelfleisch – ähnlich wie ein schottischer Zuchtlachs, der geschmacklich nie an einen kanadischen Wildlachs herankommen würde. Der Koch fand den Thun jedoch durchaus akzeptabel, auch das sensorische Erlebnis gefiel ihm. »Dieser Fisch mag zu wenig herumgeschwommen sein, aber das hat zumindest den Effekt, dass er auf der Zunge zergeht. Diese samtige Textur erinnert mich an Foie

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