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Rotes Gold: Ein kulinarischer Krimi. Xavier Kieffers zweiter Fall

Rotes Gold: Ein kulinarischer Krimi. Xavier Kieffers zweiter Fall

Titel: Rotes Gold: Ein kulinarischer Krimi. Xavier Kieffers zweiter Fall Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tom Hillenbrand
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Thunfisch?«
    »Vielleicht ist es das hier, was Herrn Hashimoto beunruhigt«, mischte sich Alvarez ein und zeigte mit seiner Taschenlampe auf einen Muskelstrang, der dort endete, wo bei einem ganzen Fisch die Heckflosse hätte sein müssen.
    »Sieht für mich ganz normal aus«, wandte Kieffer ein. »Was ist damit?«
    »Zu wenig Muskeln, das ist los. Dieser Fisch hat sich nicht allzuviel bewegt.«
    »Wie meinst du das, Pedro – er war eine Couch-Potato?«
    »So in etwa. Es handelt sich um einen Fisch aus einer Zuchtfarm, wie die meisten Thuns. Er wurde irgendwann gefangen und dann in eine große Reuse gesetzt, etwa 50 Meter im Durchmesser und 70 Meter tief. Darin kann er herumschwimmen, allerdings gerade so viel, dass er nicht erstickt.«
    »Wieso sollte ein Fisch unter Wasser ersticken?«, fragte Vatanen.
    »Thun muss schwimmen. Alles an diesem Fisch ist auf schnelle Fortbewegung ausgelegt – seine Körperform, die einklappbaren Seitenflossen. Wenn er nicht dauernd herumschwimmt, filtert zu wenig Wasser durch seine Kiemen und er erstickt.«
    »Interessantes Detail, aber«, sagte Kieffer, »dass Trebarca Silvas Fische in Farmen hochgepäppelt werden, ist uns doch bekannt.«
    »Ja, jetzt wissen wir allerdings, dass er möglicherweise weiterhin welche betreibt. Obwohl wir gefunden haben, was zu erwarten war, stimme ich Herrn Hashimoto zu, dass der Fisch eigenartig ist.«
    »Kristallisiert sich euer Unbehagen denn in einem konkreteren Faktum?«, fragte Vatanen, während er dem Japaner weiteren Riesling nachschenkte.
    Alvarez nahm das Thunsteak in seine Hand und hielt es Kieffer und Vatanen unter die Nase. »Dieser Fisch hat, wie gesagt, sehr wenig Muskeln. Schauen Sie sich diese Maserung an. Der Fettstreifen ist sehr breit.«
    »Wie bei einem Lachs aus einer Aquakultur? Die haben auch mehr Fett und weniger Muskelmasse.«
    »Genau«, sagte der Spanier und tippte mit dem Finger auf das Steak. »Ich habe schon viele Thuns aus Ranches im Mittelmeer gesehen, aber …«
    »… noch nie einen so untrainierten, nassen Sack wie diesen«, schlug Vatanen vor.
    »So könnte man wohl sagen, sí.«
    »Vielleicht ist er dann aus einer Aquakultur?«, schlug Kieffer vor. »Nicht eingefangen und hochgepäppelt, sondern komplett im Käfig gezüchtet?«
    Alvarez schüttelte energisch den kahlen Kopf. »Man kann Thunfische nicht in Aquakulturen züchten.«
    »Warum nicht?«, fragte Kieffer.
    Vatanen räusperte sich. »So wie ich Pedro kenne, hat er darauf eine ebenso interessante wie umfängliche Antwort. Es wäre jedoch vielleicht keine schlechte Idee, wenn wir während seines Vortrags etwas essen würden, es ist nämlich schon nach zehn. Ich würde jetzt fast alles essen, außer Thun.«
    »Ich dachte, ich serviere euch luxemburgische Kost. Wir haben frisches Wëllschwäinsragout in Rotweinsauceauf der Karte, mit hausgemachten Stäerzelen, Nocken aus Heidekornmehl. Und vorher gibt es eine Feierstengszalot.«
    »Was ist das?«, fragte Vatanen.
    »Ein Rindfleischsalat mit Vinaigrette, Kapern und Gurken. Garantiert fischfrei.«
    »Gekauft.«
    Als sie in einer Ecke im hinteren Teil des Lokals beim Frischlingsragout zusammensaßen, hakte Kieffer nach. »Pedro, jetzt erklären Sie uns bitte nochmals die Sache mit der Fischzucht. Warum gibt es keine Thun-Aquakulturen?«
    »Es ist nicht so, dass es nicht schon Leute versucht hätten, im Gegenteil. Die Japaner arbeiten seit den Siebzigern daran, doch es ist irrsinnig schwierig. Wie Aale oder Forellen bewegen sich Thunfische alljährlich zu bestimmten Laichgründen. Und ihre Fähigkeit, sich dort fortzupflanzen, hängt mit allerlei Faktoren wie Wassertemperatur, Salzgehalt, Gezeiten oder sogar der Intensität des Mondlichts zusammen. All diese Bedingungen nachzubilden ist nachgerade unmöglich. Trotzdem wird daran gearbeitet, weil Thun so teuer ist.«
    »Und wie weit sind die Japaner?«
    »Es gibt eine Firma namens Kondai, die es geschafft hat, ein paar Fische in Gefangenschaft zu züchten, indem sie den Weibchen Hormone spritzen. Auch in Australien gibt es ein Unternehmen, das an so etwas arbeitet. Die behaupten sogar, sie hätten bereits vollständige Reproduktionszyklen zustande gebracht.«
    »Und das bedeutet?«
    »Dass sie Thunlarven zu geschlechtsreifen Tieren hochgepäppelt haben, die dann wiederum Nachkommenschaft gezeugt haben und immer so weiter. In einem geschlossenen System, ohne die Hilfe von Mutter Natur.« Alvarez löffelte sich noch Ragout auf seinen Teller, es war bereits die

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