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Rotes Gold: Ein kulinarischer Krimi. Xavier Kieffers zweiter Fall

Rotes Gold: Ein kulinarischer Krimi. Xavier Kieffers zweiter Fall

Titel: Rotes Gold: Ein kulinarischer Krimi. Xavier Kieffers zweiter Fall Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tom Hillenbrand
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mit seltsam unfranzösischem Akzent Französisch sprach, war keine Partie für eine 36-jährige Pariser Multimillionärin. Ebenso konnte man fragen, was ein heimatverbundener, sämtlichen Schickimicki und Prunk verabscheuender Mann, der mit dem Guide Gabin eigentlich nur schlechte Erfahrungen verband, mit dieser Frau wollte. Dieser Frau, die nie da war, und ihn zu einem Pendlerleben nötigte.
    Dass der Start ihrer Beziehung so glatt gelaufen war, hieß übrigens nicht, dass sich die Sache nun einfach gestaltete. Im Gegenteil: Ihr gemeinsames Leben fand notwendigerweise an Wochenenden oder Feiertagen statt – selten in Luxemburg, häufiger in Paris und mitunter auch in Berlin, London oder wo Valérie eben gerade geschäftlich weilte. Die Selbstverständlichkeit, mit der sie sich beide in diesen Modus Amandi gefügt hatten, wurde allmählich zu einem Problem, zumindest für Kieffer. Gerade weil alles so schnell geschehen war, hatten sie nie darüber gesprochen, was für eine Art von Beziehung dies denn jetzt eigentlich war, hatten nie abgeklopft, wie lange es so weitergehen sollte, konnte. Nun war er mittendrin in Valéries glitzernder Welt, die ihn eigentlich nicht interessierte. Er wollte ja nur sie, am liebsten weit weg von Scheinwerferlicht und Kameraobjektiven, in einer abgeschiedenen Gegend. Wenn schon nicht in Clausen, dann vielleicht in einem schönen Landhaus in der Provence oder im Périgord. Aber was wollte sie?
    Während er grübelte, betrachtete Kieffer den nackten, braun gebrannten Rücken seiner schlafenden Freundin. Gleichmäßig atmend lag sie auf dem Hotelbett, der Kopf mit der kastanienfarbenen Wuschelmähne ruhte auf den verschränkten, muskulösen Armen. Valérie war eine fanatische Surferin, und erfreulicherweise sah man dies ihrem Körper auch an. Die Decke hatte sie mit den Beinen bis zur Hüfte nach unten gestrampelt. Lange betrachtete er dieses Stillleben, bis er sich daran zumindest ansatzweise sattgesehen hatte. Dann deckte Kieffer seine Freundin behutsam zu. Nein, er hatte nicht den geringsten Schimmer, was sie wollte.
    Er setzte sich in einen der Sessel und zündete sich eine Ducal an. Der Koch musste plötzlich an den Satz von Toro denken: »Ihr Europäer wollt immer auf alles Antworten. Ihr müsst mehr handeln, weniger denken.« Weniger Grübeln und mehr Genießen. Er schaute zum Fenster hinaus und dann wieder zum Bett. Zumindest an diesem Wochenende hatte er Valérie, wo er sie haben wollte. Sie hatten sich ein Hotelzimmer in Echternach genommen, Luxemburgs zweifelsohne schönster Stadt, einer perfekt restaurierten spätgotischen Puppenstube aus Fachwerkhäusern, Wehranlagen und Türmen. Das Städtchen an der Sauer würde das Sprungbrett sein für ein paar ausgedehnte Spaziergänge oder, falls seine Pariserin dafürzu faul war, ein oder zwei lange sonnige Nachmittage in abgelegenen Waldgasthöfen westlich von hier, in der Luxemburgischen Schweiz. Dort gab es noch Köche, denen man nicht erklären musste, wie man Huesenziwwi, Judd mat Gaardebounen oder Wëllkarpaangecher richtig zubereitete.
    Kieffer griff nach einem Glas schon etwas zu warmen Champagners, das neben dem Sessel auf einem Beistelltisch stand und nippte daran. Als er in den Achtzigern einen Ausbildungsplatz im Sternetempel »Renard noir« ergatterte, da hatte er sein Glück kaum fassen können. Tagtäglich durfte Commis Kieffer dort mit erlesenen Dingen hantieren, von denen er nie geglaubt hatte, dass er sie je würde kosten dürfen. Damals hatten ihn in regelmäßigen Abständen Angst und Zweifel geschüttelt. Er hatte sich gefragt, womit er dieses große Glück verdient habe. War es nun wieder so? Er stellte den lauwarmen Champagner weg und beschloss, sie zu wecken.

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    Nein, lauffaul war sie nicht. Vielmehr legte Valérie ein äußerst strammes Tempo vor, als sie am Nachmittag den steilen Weg zum Trooskneppchen hinaufstiegen, einem Aussichtspunkt, von dem aus man die ganze mittelalterliche Stadt überblicken konnte. Dahinter begann das, was man als Kleine Luxemburgische Schweiz bezeichnete – ein etwas alberner Name, da die Region zwar felsig war, aber ihre Erhebungen selbst bei freundlicher Betrachtung kaum als Berge durchgehen konnten. Der höchste Hügel gipfelte auf einigen hundert Metern. Die gewundene Straße führte von der Stadt kommend zunächst durch ein Villenviertel oberhalb Echternachs. Von hier genossen dessen Bewohner einen weitgehend unverbauten Blick ins Tal, und die Sportwagen vor den

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