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Rotes Gold: Ein kulinarischer Krimi. Xavier Kieffers zweiter Fall

Rotes Gold: Ein kulinarischer Krimi. Xavier Kieffers zweiter Fall

Titel: Rotes Gold: Ein kulinarischer Krimi. Xavier Kieffers zweiter Fall Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tom Hillenbrand
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zwei mit den kürzesten Stäben standen in der Mitte und hakten diese in die riesigen Kiemen der Tiere ein. Zu ihren Seiten standen jeweils drei weitere Tonnarotti mit unterschiedlich langen Gaffs, die längsten am äußeren Ende. Sie bohrten ihre Haken weiter unten in die Flanken des Fischs hinein. Und so zogen sie jeweils zu acht die riesigen Tiere mit dem Kopf zuerst aus der Todeskammer. Dann wuchteten sie die Bluefins über die Reling und ließen sie in das Boot hinter sich fallen. Dort stand ein Mann bereit, dem Tier den Todesstoß zu versetzen, ein weiterer kippte sofort eine Ladung Eis über den Fisch.
    Das Wasser in der Kammer war nun blutrot, gekrönt von rosafarbenem Schaum. Dazwischen sah Kieffer lang gezogene weiße Schlieren, die aus der Kammer ins offene Meer drifteten. »Thunsperma und Eier«, sagte Zu Felipo. »Die jungen Männer springen nachher hinein, das gibt Kraft.«
    Nach etwa viereinhalb Stunden war alles vorbei. Einige Männer kletterten nun in die Kammer, um einige kleinere Fische herauszuholen, die sich im Netz verheddert hatten. Als der gesamte Fang verstaut war, brüllte der Raís: »Gepriesen auf ewig sei der Name Gesù!« Und die Mannschaft antwortete: »Gesù!« Dann brach Jubel aus. Die Fischer schwenkten ihre Baseballkappen und tanzten das Schandeck entlang. Kieffer konnte hören, wie die Touristen auf dem Ausflugsboot applaudierten.

[Menü]
28
    »Wir essen Fisch«, sagte der Raís, während er und Kieffer durch eine Hafenstraße mit mehreren kleinen Restaurants schlenderten. Es war keine Frage, sondern eine Feststellung. »Hier gibt es den besten«, erklärte er und zeigte auf ein verwittertes kleines Tuffsteingebäude, von dessen Terrasse man das Meer sehen konnte. Ohne Kieffers Antwort abzuwarten, ließ sich Antoniu Gallo an einem der eingedeckten Tische nieder. Der Luxemburger setzte sich ebenfalls und betrachtete den Raís. Sein Gesicht wirkte wie ein Felsen, den Gischt und Wellen jahrzehntelang bearbeitet hatten und man erwartete fast, ein paar Seepocken auf seiner Wange zu entdecken. Sein Ölzeug hatte Gallo inzwischen gegen eine Jeans und ein blütenweißes Hemd eingetauscht, seine Augen verbargen sich hinter einer tiefschwarzen Sonnenbrille. Als Kieffer nach dem Menü griff, schüttelte der Raís den Kopf. »Keine Karte. Überlassen Sie das mir.« Wenn er nicht aus voller Kehle die Jungfrau Maria um einen guten Fang anging, sondern leise sprach, klang Gallos Stimme geradezu brüchig. Tausende Zigaretten und Aperitifs hatten seine Stimmbänder abgeschmirgelt, seine Sätze klangen wie aneinanderschabende Kieselsteine. Der Raís griff in seine Hosentasche und entnahm ihr einige Stücke Würfelzucker, einzeln in Papier eingeschlagen. Er wickelte eines aus und ließ es in seinem Mund verschwinden. Dann schaute er seinen Gast an. »Haben Sie die Karten mitgebracht?«
    Kieffer nickte und griff nach seinem Rucksack. Er holte eine Pappröhre heraus und entrollte eine Farbkopie, die so groß war wie ihr Tisch.
    »Das ist sie?«
    »Die Isoletta di Bonaccia.«
    Der Raís zündete sich eine Zigarette an. Es war eine Marlboro mit arabischen Schriftzeichen auf der Packung, die, so vermutete Kieffer, von irgendeinem Boot gefallen war. Mit der Hand fuhr er über die Hallen und Straßen auf dem Satellitenfoto.
    »Unmöglich. Die Bonaccia liegt weit draußen im Tyrrhenischen Meer. Tuff, Möwen, Sandstrand, sonst ist da nichts.«
    »Wann waren Sie das letzte Mal dort, Herr Gallo?«
    Der Sizilianer musterte die Markise über ihnen und sagte dann: »Bevor ich Raís wurde. Also vor mindestens 15 Jahren.« Er beugte sich erneut über Kieffers Karte und legte einen Finger auf die untere rechte Ecke, in der die Koordinaten verzeichnet waren. »Die Längen- und Breitengrade stimmen in etwa. Und was passiert auf dieser Insel?«
    »Nach meinen Recherchen ist dort eine Thunranch.«
    Der Raís fing an zu lachen und schüttelte den Kopf. »Was wissen Sie vom Thunfang, Herr Kieffer?«
    »Nicht allzu viel. Ich weiß, dass die Mattanza die althergebrachte Methode ist, das Gros der Fische aberheute von Hightechbooten gefangen und dann zu Thunranches geschleppt wird.«
    »Richtig. Was wir hier machen, ist die Tradition.«
    »Wie viele Fische haben Sie heute gefangen?«
    »Vielleicht hundert. Hundert kleine Fische, keiner über 150 Kilo. Ein schlechtes Geschäft.«
    »Warum gibt es die Mattanza dann noch?«
    »Sehen Sie die Insel dahinten?«
    »Die kleine? Eine der Ägadischen Inseln, nehme ich an.«
    »Sì.

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