Rotes Gold: Ein kulinarischer Krimi. Xavier Kieffers zweiter Fall
Dort gibt es eine Höhle, mit Malereien. 4000 Jahre alt. Höhlenmenschen haben Männer und Frauen an die Wand gemalt. Außerdem Keiler, Rinder und Thunfische.« Der Raís winkte einem Kellner. »Das ist die Tradition Siziliens. Immer schon. Wir können nicht aufhören.«
Der Ober nahm die Bestellung auf, die Gallo ihm diktierte. Er sprach sizilianischen Dialekt, sodass Kieffer keine Ahnung hatte, was der Raís orderte. Doch er wurde nicht enttäuscht, alles, was man ihnen servierte, war schlicht, aber vorzüglich. Als Vorspeise gab es einen Salat aus Fenchel und Orangenscheiben, die mit einem fruchtigen, fast scharf schmeckenden Olivenöl beträufelt worden waren. Als Primo aßen sie Spaghetti, vermischt mit einer dunkelrosafarbenen Paste, körnig und halb durchsichtig.
»Was ist das?«, fragte Kieffer.
»Bottarga di Tonno. Thunfischrogen. Gesalzen und getrocknet, mit Öl und Zitronensaft.«
Während der Raís aß, sprach er kein Wort. Ruhig und konzentriert leerte er seinen Pastateller. Dann sagte er: »Ihre Karte ist sehr eindrucksvoll, mit all diesen Gebäuden und Kuppeln. Ich glaube ihr allerdings nicht.«
»Wie meinen Sie das? Es sind Satellitenaufnahmen.«
»Mag sein. Aber es ist nicht logisch. Man fängt die Fische und bringt sie dann zur Küste. Für eine Thunranch braucht man nicht nur Reusen. Sondern auch Futter, Strom, Boote. Das alles dort raus zu schaffen, wäre sehr teuer.«
»Dafür ist man ungestört«, erwiderte Kieffer. Er legte dem Raís seinen Verdacht dar, dass Trebarca Silva und Yatsuishi an irgendeiner neuartigen Zuchtmethode arbeiteten, die wenig oder gar nichts mit einer klassischen Thunranch gemein hatte. Der Sizilianer hörte ihm schweigend zu. Während Kieffer sprach, verzehrte er den nächsten Gang, gebackene Sardinen mit einer Füllung aus Brotkrumen, Minze, Pinienkernen und Korinthen. Als er fertig war, wischte er sich zunächst den Mund ab und zündete sich eine weitere seiner arabischen Zigaretten an, bevor er antwortete.
»Ich habe gehört, dass es Wissenschaftler gibt, die Thunfisch züchten wollen, wie eine Forelle.« Angewidert zog er die Mundwinkel nach unten. »Das geht nicht.«
»Technisch scheint es machbar zu sein«, wandte Kieffer ein.
»Ja. Wenn man dem Thun Hormone injiziert, laicht er auch in Gefangenschaft, sagt man. Technisch machbar, aber es ist ein gottloses Unterfangen. Noch viel sündhafter als diese Fischerei mit Radar, Treibnetzen und Flugzeugen. Diese Tiere zu züchten, ist wider die Natur, wider den Allmächtigen Schöpfer. Er hat die Fische ins Meer gesetzt, damit der Mensch sie herausholt.«
Kieffer musste ein Grinsen unterdrücken. Hier saß der tiefgläubige Raís, möglicherweise der Letzte seiner Art,und empörte sich darüber, wie gottlose Nordeuropäer und Japaner sich als Schöpfer versuchten, Fische züchteten, die seiner Meinung nach nur der liebe Gott wachsen lassen durfte und die nur ehrliche Fischer aus dem Wasser ziehen sollten, mit Mariens Beistand. Viele Kilometer weiter im Norden gab es den ebenfalls streng katholischen Trebarca Silva, der offenbar eine ganz andere Sicht der Dinge hatte. Ob er Gallo erzählen sollte, dass das Büro des Lusobourges voll hing mit Bildern eben jener Lieben Frau von Fatima, die er vor der Mattanza auf einem kleinen Boot vor der Küste angerufen hatte? Er beschloss, es lieber nicht zu tun. Stattdessen sagte er: »Dieser Trebarca Silva sieht das offenbar anders. Er war einer der größten Rancher Spaniens. Jetzt will er der Natur mit Hightech ein Schnippchen schlagen. Fahren Sie mit mir zu dieser Insel.«
»Und dann?«
»Ich weiß nicht. Sie haben selbst gesagt, Sie trauen keinem Foto. Sie scheinen mir ein Mann zu sein, der nur seinen eigenen Augen traut. Lassen Sie uns schauen, was wirklich auf dieser Insel passiert.«
»Also gut. Nachdem der Fang heute so miserabel war, gibt es morgen ohnehin keine Mattanza. Wir fahren heute Nacht gegen halb zwei mit meinem Boot los, dann sind wir gegen vier, halb fünf dort. Es gibt aber Bedingungen.«
»Lassen Sie hören.«
»Ich bin der Kapitän. Sie machen, was ich sage.«
»Einverstanden.« Er hielt dem Raís seine Hand hin. Der nahm sie.
»1.30 Uhr am Jachthafen, vor der Hafenmeisterei.« Sie besiegelten ihre Vereinbarung mit Espressi, einigenStücken des unglaublich süßen Gebäcks sowie einem nach Minze schmeckenden Kräuterlikör. Der Raís verköstigte außerdem noch zwei weitere Stück Würfelzucker. Dann schickte sich Gallo an, zu gehen.
»Müssen
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