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Rotes Gold: Ein kulinarischer Krimi. Xavier Kieffers zweiter Fall

Rotes Gold: Ein kulinarischer Krimi. Xavier Kieffers zweiter Fall

Titel: Rotes Gold: Ein kulinarischer Krimi. Xavier Kieffers zweiter Fall Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tom Hillenbrand
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verschwinden. Kieffer hielt den Atem an. Der Mann würde seine beiden Kaffees nehmen und dann den Raum verlassen. Bis die beiden ihre Frühstückspause beendet hatten, blieb ihm vermutlich ausreichend Zeit, über das Dach wieder zum Strand zu gelangen und sich, mit reichlich Beweisfotos im Gepäck, aus dem Staub zu machen. In der anderen Halle hatte er an der hinteren Wand zwar noch etwas erspäht, das er sich gerne angeschaut hätte. Aber sein Verstand sagte ihm, dass die Sache allmählich zu gefährlich wurde. Es war ohnehin ein Wunder, dass er bislang unentdeckt geblieben war.
    Der Mann hatte die beiden dampfenden Becher inzwischen abgestellt und wühlte in einem kleinen Karton, der neben der Maschine stand. Er holte einen Snickersriegel daraus hervor, um ihn dann wieder zurückzuwerfen. Offenbar erwog er, sich seine Kaffeepause mit einem Snack zu versüßen. Kieffer musterte den Japaner. Er war schlaksig und trug Jeans sowie ein schwarzes Hemd. Als er den Wahlknopf betätigte, fiel Kieffer auf, dass an seiner rechten Hand zwei Finger fehlten. Zudem sah der Koch unter dem Hemd an Armen und Nacken farbige Tätowierungen hervorlugen. Fische und Drachen, in schillernden Farben gezeichnet. Tätowierungen, wie sie auch sein Freund Toro besessen hatte. Er sah das Gesicht des Sushikochs deutlich vor seinen Augen. Sein Freund Toro, der wegen eines verdammten Fisches hatte sterben müssen, eines Fisches, der vermutlich aus dieser Zuchtanlage stammte.

    Sich ruhig verhalten und abwarten war die einzig sinnvolle Vorgehensweise. Sein Bauch entschied jedoch in diesem Moment, dass es anders laufen würde. Als der Japaner sich nach vorne beugte, um den gewünschten Riegel aus dem Karton zu fischen, war Kieffer bereits hinter ihm und zog dem Mann die schwere Signalpistole über den Schädel. Er sackte augenblicklich in sich zusammen. Der Koch zog den Ohnmächtigen hinter die Plastikfässer. In diesem Moment erschien der Blaukittel im Türrahmen. »Watashi no koohi wa doko …« Seine Stimme erstarb, als er Kieffer erblickte. Er drehte sich um und floh, der Koch rannte hinterher. Der Japaner war flinker als er. Bevor Kieffer den Wissenschaftler erreichen konnte, hatte dieser schon eine Computerkonsole erreicht und nach einem Telefonhörer gegriffen.
    Der Koch hob die Signalpistole und sagte auf Englisch: »Das würde ich nicht tun.« Der Mann hatte auf jeden Fall Schneid, denn er tat es trotzdem. Da Kieffer nicht ernsthaft vorhatte, seinem Gegenüber ein phosphoreszierendes Loch in den Bauch zu brennen, versuchte er stattdessen, ihm das Telefon zu entwinden. Er rammte dem Japaner den Lauf zwischen die Rippen und griff mit der freien Hand nach dem Spiralkabel, das an dem Hörer befestigt war. Der Japaner war ein dürres kleines Männchen und hatte ihm, so glaubte Kieffer, körperlich nichts entgegenzusetzen. Mit einem Ruck riss er dem Mann das Telefon aus der Hand. Der packte jedoch nun mit beiden Händen Kieffers rechten Arm und setzte einen Hebel an, der dem Koch fast die Schulter auskugelte. Aufheulend ging er zu Boden. Als der stechende Schmerz abebbte, wurde Kieffer bewusst, dass er die Signalpistole nicht mehr in der Hand hielt. Ohne nachzudenken schnellte erhoch und hieb mit dem Telefonhörer nach dem Japaner. Es gab ein hässliches Knacken, als die Plastikverschalung der Ohrmuschel auf das Jochbein des Wissenschaftlers traf, fast augenblicklich gefolgt von dem zischenden Plopp der Signalpistole. Kieffer ließ sich nach hinten fallen. Ein sinnloses Manöver, denn sein taumelnder Gegner hatte den Schuss völlig verrissen. Einen Moment lang folgten ihrer beider Blicke dem Flug der gleißenden Kugel. In hohem Bogen stieg sie bis zur Hallendecke auf. Dort prallte sie gegen ein Gitter und stürzte wieder hinab – mitten in den Tank.
    An der Stelle, wo der glühende Ball eintauchte, fing das Wasser sofort an zu kochen. Der riesige Thun versuchte, sich von dem brennenden Ding wegzubewegen, das kaum einen Meter von ihm entfernt war. Entsetzt schaute der Japaner auf den Fisch und schrie etwas. Dieser Moment reichte Kieffer, um seinem Widersacher die Beine wegzuziehen und sich auf ihn zu werfen. Er versetzte dem Mann einen Kinnhaken, dann noch einen. Der Japaner hörte auf, sich zu bewegen. Rasch nahm Kieffer seine Kamera und fotografierte den dampfenden Tank. Danach wandte er sich der Computerkonsole zu. Auf dem Bildschirm darüber hatte er etwas gesehen, das ihn überhaupt erst dazu bewogen hatte, in den zweiten Raum vorzudringen.

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