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Rotes Meer

Rotes Meer

Titel: Rotes Meer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Åke Edwardson
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können wir das Gespräch fortsetzen.«
    »Nennt man das nicht Verhör?«
    »Das nennt man Verhör.«
    »Und wie lange? Wie lange können Sie mich dort festhalten?«
    »Zwölf Stunden.«
    »Dann … verpasse ich ja das Mittsommerfest«, sagte Alan, und Winter sah ihm an, dass er nicht scherzte, dass er nicht lächelte. »Die Blumen und alles.«
    Winter nickte.
    »Ich möchte mich nicht zwölf Stunden im Polizeipräsidium aufhalten«, sagte Alan.
    »Gut.«
    »Wenn ich muss, dann muss ich. Aber ich hab nichts mehr zu sagen.«
    Winter erhob sich. Alan zuckte wieder zusammen. Er schien nicht für zwölf Stunden bereit zu sein, sechs plus sechs.
    »Denken Sie noch einmal über unser Gespräch nach«, sagte Winter. Er holte die Brieftasche heraus und entnahm ihr eine Visitenkarte, die er Alan gab. »Da steht meine Handynummer drauf. Sie können mich jederzeit anrufen.« Winter versuchte zu lächeln. »Auch heute, am Mittsommerabend.«
    Alan schien sich auch um ein Lächeln zu bemühen. Er nahm die Karte entgegen und stand auf.
    »Ich wüsste nicht, weswegen ich Sie anrufen sollte.« Aber die Karte nahm er mit.
    Auf dem Weg nach Süden ging Winter das Gespräch noch einmal in Gedanken durch. Er hatte den Eindruck, dass Alan etwas zu erzählen hatte, etwas Großes, und dass er jemanden brauchte, dem er es erzählen konnte. Er hatte die Karte angenommen. Winter erinnerte sich an die Miene, mit der er es getan hatte. Alan würde nachdenken. Er würde anrufen. Vielleicht heute. Also heute Nachmittag nicht so viele Schnäpse bei Fredrik. Und fast keinen Whisky.

    Hama Ali Mohammad saß am Rande des Parks im Gras. Dort fühlte er sich sicher. Die Kinder hüpften um diese begrünte Stange, das fand er ziemlich komisch. Er konnte keinen Bekannten entdecken, und das war gut. Er bevorzugte die Orte, wo er niemanden kannte, wie hier unten im Land der Schweden. Sie nahmen ihn zwar wahr, aber sie schienen sich nicht um ihn zu kümmern. Guck mal, wie hässlich der ist. Er wusste, dass sie so dachten, aber es war ihm egal.
    Hama erhob sich und ging weg.
    Er wollte sich nicht in einer Höhle verstecken.
    Er nahm den Bus, spazierte durch die Straßen. Das Einkaufszentrum Nordstan war jetzt eine öde Wüstenei.
    Die Straßen waren leer. Allenthalben hatten die Schweden angefangen, ihr Mittsommerfest zu feiern. Das war ihm nur recht. Er würde sich etwas unter den Nagel reißen können. Die Welt war voller Geld. Er war allein.
    Er stieg in eine Straßenbahn.
    Hier oben war es genauso leer.
    Er entdeckte eine Gang, die er kannte, aber nicht kennen wollte, und verzog sich hinter das Haus.
    Die Sonne brannte heiß vom Himmel, wie um die alten idiotischen Wunschträume seiner Mutter zu erfüllen, ihre kranke Sehnsucht nach dem alten Land. Die Wüstensonne, Kamelsonne. Es gibt eine gute und eine schlechte Neuigkeit. Die schlechte zuerst: Es gibt nur Kamelscheiße zu essen. Und was ist dann die gute? Kamelscheiße gibt es reichlich.
    Und dann sah er ihn im Schatten der Hauswand herankommen. Er hob die Hand. Hej, Homie .
    Hama verzog sich in den Schatten.

21
    D as Polizeipräsidium war genauso verlassen wie in diesem Augenblick ganz Schweden. Winter hörte seine eigenen Schritte in den Korridoren widerhallen. Das geschah nicht zum ersten Mal, aber selten war es so deutlich wie während der großen Festtage. Es war auch nicht das erste Mal, dass er sich hier bewegte, während alle anderen anständigen Leute mit den Ihren zusammen feierten. Aber auch er war jetzt mit den Seinen zusammen, der großen Familie, im Verbrechen vereint, beiderseits der Grenze. Heutzutage war es schwerer, die Grenze zu erkennen. Seit er seinen Job angetreten hatte, war sie um viele Meilen verschoben worden. Gab es sie überhaupt noch? Wo verlief die Grenze? Vielleicht bildeten sie jetzt eine grenzenlose Gesellschaft. Grenzenlose Liebe, grenzenloser Hass.
    Zwischen den geklinkerten Wänden des Korridors vernahm Winter ein Echo, das nicht von seinen Schritten hervorgerufen wurde. In einem der Zimmer räusperte sich jemand bei offener Tür. Winter erkannte das Räuspern.
    »Du bist also noch hier?«, fragte er durch die Türöffnung.
    »Besser gesagt, ich bin gerade gekommen«, antwortete Ringmar von seinem Stuhl hinter dem Schreibtisch.
    »Ich dachte, du seist zu Hause und machst dich fein.«
    »Ehrlich?«
    »Nein.«
    »Es sind noch einige Stunden, bis ich mich fein machen muss«, sagte Ringmar.
    Winter sah auf die Uhr. »Zweieinhalb.«
    »Bis dahin können wir noch eine

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