Rotglut
Möglichkeiten«, fährt er, leicht verunsichert, fort, »zum einen können wir Ihnen anbieten, ein Alarmsystem auf dem neusten Stand der Technik in Ihr Haus einzubauen, wir können Ihnen aber auch einen Wachdienst anbieten, der zwei Mal pro Nacht mit Hund …« Stegmann bricht ab. Offenbar hört der Mann ihm gar nicht zu.
Stock hat den Ordner aufgeschlagen und scheint sich für alles zu interessieren, nur nicht für das Sicherheitskonzept.
»Herr Stegmann …«, Stock legt die Hände über dem Ordner zu einem kleinen Dach zusammen und klopft seine Daumen rhythmisch aneinander, »kommen wir gleich zur Sache. Wir wissen, dass Sie mit der linken Szene mehr als nur sympathisieren. Wir wissen auch von Ihrem kleinen Ausflug nach Wolfsburg, von Ihren Treffen in der ›Roten Ameise‹ mit einem gewissen Enno Hardenberg, Student aus Berlin. Sie haben versucht, im Terrorismus-Milieu«, Stock spricht dieses Wort geradezu genüsslich aus, »Fuß zu fassen, aber unglücklicherweise hat man Ihre Talente nicht erkannt. Oder soll ich sagen, man hat von Ihren Talenten nicht allzu viel gehalten? Und das ja wohl mit Recht, wenn ich mir das Fiasko bei Karstadt betrachte.«
Stegmann sitzt mit offenem Mund Herrn Stock gegenüber. Woher weiß der Typ das alles?
»Ja, Stegmann, und jetzt fragen Sie sich, woher wir das alles wissen. Uns entgeht nichts, aber auch gar nichts. Und wir haben unsere Leute zur richtigen Zeit am richtigen Ort. Doch nun kommen Sie ins Spiel. Auch Sie hätten wir gern, von Zeit zu Zeit, am richtigen Ort.« Stock zwinkert ihm vergnügt zu.
»Herr Stock, ich schätze, Sie verwechseln mich mit irgendjemandem. Klar, mit Enno habe ich mich getroffen, wir sind alte Studienkumpels. Und bei der KarstadtEinweihung bin ich mit der Sicherung der Veranstaltung betraut gewesen.«
Stock hört ihm mit unbewegter Miene zu.
»Sind Sie jetzt fertig, Stegmann?«, er klingt gelangweilt.
Der Mann blättert im Ordner und zieht ein Foto heraus: Stegmann im Vorgarten des Häuschens von Ilse in Wolfsburg.
»Wir beobachten Sie schon seit Monaten. Und glauben Sie uns, Sie werden nicht reüssieren. Die wollen Sie nicht, die halten nichts von Ihnen, für die sind Sie der Prototyp eines Versagers. Und die sind für diese Leute gefährlich.«
Stegmann rutscht auf seinem Stuhl herum. Er schwitzt, im Zimmer ist es stickig.
»Stock, wenn das überhaupt Ihr richtiger Name ist«, Stegmanns Gegenüber grinst nur bei diesen Worten, »was genau wollen Sie von mir? Und wen meinen Sie mit ›wir‹?«
»Was wir von Ihnen wollen? Wir bieten Ihnen einen Job auf der Seite der Guten an. Wir geben Ihnen die Gelegenheit, nicht nur von der Weltverbesserung zu träumen, Sie können bei uns etwas dafür tun, Stegmann. Und Sie sollten besser nicht ablehnen. Sonst müssen wir den Karstadt-Ermittlern leider mitteilen, dass bei Ihnen keine ›magische Kugel‹ im Spiel war, sondern dass Sie eiskalt abgedrückt haben. Der Polizist ging auf Ihr Konto.«
Stegmann wird schlecht, er versteht. Und er hat nun eine Vorstellung, mit wem er es zu tun hat. Er reißt sich zusammen.
»Nicht mit mir, Stock. Das lasse ich mir nicht anhängen. In Wolfsburg wollte ich einen ehemaligen Studienkollegen besuchen, hatte den aber nicht angetroffen. Und ich habe auf niemanden gezielt, niemanden mit Absicht erschossen. Ja, einen Warnschuss habe ich abgegeben. Dass der arme Kerl von mir tödlich getroffen wurde, kann mir niemand nachweisen, kann mir niemand nachweisen. Wissen Sie was? Sie können mich mal am Arsch lecken.« Stegmann steht auf, wendet sich zur Tür und dreht sich noch einmal zu dem Bürstenhaarschnitt um. »Suchen Sie sich einen anderen für Ihre Schnüffelarbeit. Ich kann mir sehr gut vorstellen, zu welchem Verein Sie gehören. Also, auf Wiedersehen, Herr Stock, und belästigen Sie mich nicht mehr.«
Stegmann erreicht die Tür, drückt die Klinke herunter.
»Auf Wiedersehen, Herr Reddersen, und grüßen Sie mir Ihre Mutter«, sagt der Mann mit gefährlich leiser Stimme.
Stegmann erstarrt. Er dreht sich um und blickt in das grinsende Gesicht von Stock. Dieser hat die Zähne gefletscht, ein Raubtier, das sich soeben in den Nacken seines Gegners verbissen hat, bereit zum tödlichen Schlag.
Stegmann weiß, wann er verloren hat. Auf gar keinen Fall wird er zulassen, dass seine Mutter noch mehr leiden muss. Vom Selbstmord seines Vaters hat sie sich nie ganz erholt. Wenn nun Journalisten in dessen Nazivergangenheit herumwühlen würden, nicht auszudenken. Das
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