Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Roth, Philip

Titel: Roth, Philip Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nemesis
Vom Netzwerk:
Donald Kaplow, der sich von ihm Anleitung und Führung erhoffte, er hatte einen herrlichen Badeplatz zu beaufsichtigen und Dutzende von lebhaften Jungen, denen er etwas beibringen konnte, und er hatte den Sprungturm, von dem er abends in die Stille und den Frieden würde springen können. Hier war er vor dem in Newark umgehenden Mörder so sicher, wie er es nur sein konnte. Hier hatte er alles, was Dave und Jake nicht hatten, was die Jungen auf dem Sportplatz und alle anderen in Newark nicht hatten. Das Einzige, was er nicht mehr hatte, war ein reines Gewissen.
    Er würde zurückkehren müssen. Morgen würde er mit dem Zug von Stroudsburg nach Newark fahren, sich dort sofort mit O'Gara in Verbindung setzen und ihm sagen, er werde am Montag wieder auf dem Sportplatz sein. Weil es wegen der Wehrpflicht ohnehin nur wenige gab, die für diese Aufgabe in Frage kamen, würde es kein Problem sein, seinen Job zurückzubekommen. Alles in allem würde er nur eineinhalb Tage fort gewesen sein, und niemand konnte behaupten, eineinhalb Tage in den Poconos seien eine Pflichtverletzung oder Desertion.
    Aber würde Marcia seine Rückkehr nach Newark nicht als einen Schlag, als eine Strafe verstehen, besonders da ihr wunderschöner Abend so unbefriedigend geendet hatte? Was würde aus ihnen werden, wenn er morgen abrupt seine Sachen packte und verschwand? Er hatte vorgehabt, nächste Woche in seiner Freizeit in die Stadt zu fahren und von den fünfzig Dollar, die er von dem Sparkonto für den Herd genommen hatte, einen Verlobungsring für sie zu kaufen. Aber daran durfte er jetzt nicht denken. Nicht an den Ring, nicht daran, dass Marcia seine Motive missverstehen könnte, dass er Mr. Blomback in Schwierigkeiten brachte, dass er Donald Kaplow und Marcias Schwestern enttäuschte. Er hatte einen schweren Fehler gemacht. Er hatte überstürzt der Angst nachgegeben, er hatte sich von ihr beherrschen lassen und so nicht nur die Jungen, sondern auch sich selbst verraten - und dabei hätte er nur bleiben und seinen Job tun müssen. Marcias liebevoller Versuch, ihn aus Newark zu retten, hatte dazu geführt, dass er sich törichterweise untreu geworden war. Die Jungen hier kamen auch ohne ihn gut zurecht. Hier gab es keinen Krieg. Hier wurde er nicht gebraucht.
    Gerade als es schien, der Wolkenbruch könnte nicht mehr stärker werden, steigerte sich der Regen draußen zu einem verblüffenden Crescendo. Er strömte über das geneigte Dach der Hütte, überflutete die Dachrinnen und stürzte wie ein Wasserfall vor den Fenstern hinunter. Angenommen, in Newark regnete es wie hier, angenommen, es hörte tagelang nicht auf: Millionen und Abermillionen von Tropfen, die auf die Häuser, Straßen und Gassen niedergingen - würde das die Polio davonspülen? Aber warum spekulieren über etwas, das nicht eintrat und nie eintreten würde? Er musste nach Hause zurückkehren! Am liebsten wäre er sofort aufgesprungen und hätte alles in seine Tasche gepackt, um morgen früh den ersten Zug zu nehmen. Aber er wollte die Jungen nicht wecken oder ihnen den Eindruck vermitteln, dass er das Camp in Panik verließ. In Panik war er hierher gekommen, und nun, da er seinen Mut wiedergefunden hatte, verließ er das Lager, um sich einem Kampf zu stellen, dessen Realität nicht zu bezweifeln war, dessen Gefahren jedoch nichts waren im Vergleich zu denen, die Dave und Jake auf sich nahmen, wenn sie den alliierten Brückenkopf im von Nazis besetzten Frankreich vergrößerten.
    Und was Gott betraf, so war es in einem Paradies wie Indian Hill leicht, freundlich über Ihn zu denken; in Newark - oder in Europa, im Pazifik - war das im Sommer 1944 etwas ganz anderes.
     
    Am nächsten Morgen war die Nässe verschwunden, und die Sonne schien zu strahlend, der frische Wind war zu belebend, die Aufregung der Jungen, die auch diesen neuen Tag ohne Furcht begannen, zu verheißungsvoll, dass er sich nicht vorstellen konnte, nie wieder zwischen den vier mit den Wimpeln von einem Dutzend Schulen tapezierten Wänden dieser Blockhütte zu erwachen. Und der Gedanke, Marcia zurückzulassen und ihre gemeinsame Zukunft aufs Spiel zu setzen, war zu schrecklich. Der Blick von der Veranda der Hütte auf den glatten, schimmernden See, in den er am Ende seines ersten Tages so tief eingetaucht war, und die ferne Insel voller weißer Bäume, zu der sie mit dem Kanu gefahren waren, um allein zu sein und unter einem Baldachin aus Birkenzweigen miteinander zu schlafen - es war unmöglich, sich all

Weitere Kostenlose Bücher