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Rotkäppchen und der böse Wolf

Rotkäppchen und der böse Wolf

Titel: Rotkäppchen und der böse Wolf Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Agatha Christie
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hatte sie in den gefalteten Brief eine Wimper gelegt. Die Wimper war fort.
    Sie ging zum Waschtisch und holte eine kleine Schachtel mit der unschuldigen Aufschrift »Talkumpuder«.
    Geschickt blies Tuppence etwas Puder auf den Brief und auf die glänzenden Lackornamente des Kästchens.
    Keine Fingerabdrücke, weder auf dem Brief noch auf dem Kästchen.
    Wieder nickte Tuppence mit grimmiger Befriedigung. Denn es hätten Fingerabdrücke da sein müssen – ihre eigenen.
    Ein Dienstmädchen konnte natürlich aus Neugier Briefe lesen, so wenig wahrscheinlich es auch war, zumal sie erst einen verschlossenen Kasten öffnen musste.
    Aber kein Dienstmädchen würde die Fingerabdrücke beseitigen.
    Mrs Perenna? Sheila? Oder wer sonst? Auf jeden Fall irgendjemand, den die Truppenverschiebungen im britischen Heer interessierten.
     
    Tuppence lag am Morgen grübelnd im Bett, als Klein-Betty in ihr Zimmer stürzte, ehe man ihr noch die lauwarme, leicht nach Tinte schmeckende Flüssigkeit, »Morgentee« genannt, ans Bett gebracht hatte.
    Betty war strahlender Laune und voller Eifer. Sie hatte Tuppence unzweifelhaft in ihr Herz geschlossen. Sie kletterte aufs Bett, hielt ein völlig zerfleddertes Bilderbuch unter Tuppence Nase und befahl nachdrücklich: »Les!«
    Tuppence’ las gehorsam:
    »Hopp, hopp, hopp, Pferdchen, lauf Galopp,
    Trab, trab, trab – da wirft’s den Reiter ab.«
    Betty rollte sich vor Wonne auf dem Bett herum. Begeistert wiederholte sie: »Tabtabtab«, und dann in den höchsten Tönen krähend: »Jeiter ab!« worauf sie sich mit einem Plumps vom Bett zu Boden fallen ließ.
    Dieses Spiel wurde verschiedene Male wiederholt, bis es seinen Reiz verlor. Darauf krabbelte Betty auf dem Boden umher, spielte mit Tuppence’ Schuhen und murmelte sehr geschäftig in ihrer eigenen Sprache vor sich hin: »Soo, bums – Betty duut – ei – huuh!«
    Erleichtert kehrte Tuppence zu ihren Gedanken zurück und vergaß die Gegenwart der Kleinen. Der Vers aus dem Bilderbuch ging ihr noch durch den Kopf und schien sie auszulachen.
    »… Pferdchen, lauf Galopp – Trab, trab, trab – da wirft’s den Reiter ab.«
    Ja, jetzt liefen sie Galopp, ihr Tommy und sie. Und würden sie wohl eines schönen Tages dabei auf die Nase fallen? Mr Meadowes mimte tiefe Verachtung für Mrs Blenkensop. Er war sehr englisch, ein bisschen einfältig, gänzlich fantasielos. Beide passten vorzüglich in den Rahmen des Sans Souci.
    »Ssöön?«, fragte Betty. Sie wiederholte die Frage: »Ssöön?«
    »Wunderschön«, antwortete Tuppence geistesabwesend. »Reizend, mein Schätzchen.«
    Betty war zufrieden und murmelte wieder eifrig vor sich hin. Tuppence sah jetzt klar vor sich, was sie als Nächstes zu tun hatte. Dazu musste sie sich mit Tommy absprechen. Ja, so ließ es sich machen…
    Sie lag da und dachte nach, ohne zu merken, wie die Zeit verging. Da kam Mrs Sprot ganz atemlos auf der Suche nach Betty ins Zimmer.
    »Oh, da ist sie ja. Ich wusste wieder einmal nicht, wohin sie entwischt war. Aber Betty, du böses Mädchen, was hast du denn da angestellt! Mein Gott, Mrs Blenkensop, entschuldigen Sie!«
    Tuppence setzte sich im Bett auf. Betty stand stolz da und betrachtete mit engelsgleichem Gesichtchen ihrer Hände Werk.
    Sie hatte aus Tuppence’ Schuhen alle Schnürbänder gezogen und sie in ein mit Wasser gefülltes Glas geworfen. Nun rührte sie entzückt mit dem Fingerchen darin herum.
    Tuppence lachte und unterbrach Mrs Sprots Entschuldigungen.
    »Nein, wie lustig! Aber ich bitte Sie, Mrs Sprot, das macht doch nichts. Es ist meine Schuld, ich hätte auf sie aufpassen sollen. Aber sie war so still.«
    »Ach ja.« Mrs Sprot seufzte. »Wenn sie sich still verhält, ist’s immer ein schlechtes Zeichen. Ich werde Ihnen heute Vormittag neue Schuhbänder besorgen, Mrs Blenkensop.«
    »Aber nein«, entgegnete Tuppence, »die trocknen doch wieder.«
    Mrs Sprot nahm Betty mit sich, und Tuppence hing weiter ungestört ihren Gedanken nach.
    Dann stand sie auf, um sie in die Tat umzusetzen.

6
     
    T ommy blickte etwas misstrauisch auf das Päckchen, das Tuppence ihm in die Hand drückte.
    »Das ist es?«
    »Ja. Aber sei vorsichtig. Um Gottes willen nichts verschütten.«
    »Bestimmt nicht. Aber was ist das für ein grässliches Zeug?«
    »Asa foetida«, erwiderte Tuppence. »Nur ein paar Körnchen davon, und ›Ihr Freund wird sich schleunigst von Ihnen zurückziehen‹, wie es in der Reklame heißt.«
    »Schauderhaft«, murmelte Tommy.
    Kurz danach

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