Rotkäppchen und der böse Wolf
will trotzdem draußen bleiben. Hoffentlich erkältet er sich nicht!«
»Es gibt Schlimmeres als einen Schnupfen«, sagte Mrs Perenna. »Jeden Augenblick könnte eine Bombe fallen und uns alle kurz und klein schlagen.«
»O Gott! Hoffentlich doch nicht?«
»Warum nicht? Ich hätte nichts dagegen.«
Mrs Perenna entfernte sich durch die Fenstertür. Die vier Damen starrten ihr nach.
»Ich muss schon sagen«, bemerkte Mrs Sprot, »heute Abend ist sie wirklich sonderbar.«
Miss Minton lehnte sich über den Tisch. »Sie meinen doch nicht etwa…« Sie blickte scheu um sich. Alle rückten näher zusammen. »Sie wollen doch nicht sagen, dass sie trinkt?«, flüsterte sie eindringlich.
»O mein Gott!«, rief Mrs Cayley. »Das wäre allerdings eine Erklärung. Manchmal ist sie wirklich unberechenbar. Was halten Sie davon, Mrs Blenkensop?«
»Ich glaube es eigentlich nicht. Vielleicht hat sie Kummer. Sie spielen aus, Mrs Sprot.«
»Was soll ich nur spielen?«, fragte Mrs Sprot und betrachtete ihre Karten.
Sie erhielt darauf keine Antwort, obwohl Miss Minton ihr ganz unbekümmert in die Karten gesehen hatte und wohl einen Vorschlag hätte machen können.
»Hat Betty nicht eben gerufen?«, fragte Mrs Sprot und warf nervös den Kopf zurück.
»Nein«, entgegnete Tuppence entschieden.
Mrs Sprot blickte wieder zerstreut in die Karten. Offensichtlich weilten ihre mütterlich besorgten Gedanken noch bei Betty.
»Karo, glaube ich«, sagte sie dann.
Das Spiel ging weiter. Mrs Cayley war an der Reihe.
»Was soll ich nur… ja, am besten wohl so«, piepste sie und legte die Karo-Neun auf den Tisch.
Eine tiefe, schwingende Stimme ließ sich dröhnend vernehmen: »Den Fluch von Schottland habt Ihr ausgespielt!«
Mrs O’Rourke stand in der Fenstertür. Sie atmete tief, ihre Augen funkelten. Mit einem verschmitzten Blick musterte sie den Spieltisch. Dann trat sie ins Zimmer.
»Amüsieren Sie sich bei Ihrem Bridge?«, lächelte sie.
»Was haben Sie denn da in der Hand?«, fragte Mrs Sprot neugierig.
»Einen Hammer«, antwortete Mrs O’Rourke freundlich.
»Ich habe ihn soeben im Garten gefunden. Jemand muss ihn dort liegen gelassen haben.«
»Komisch«, sagte Mrs Sprot zögernd, »wer lässt denn einen Hammer im Garten liegen?«
»Ausgesprochen komisch – ganz meine Meinung«, stimmte Mrs O’Rourke liebenswürdig zu.
Sie schien glänzender Laune. Den Hammer lässig in der Hand schwingend, ging sie in die Halle.
»Nun wollen wir aber weitermachen«, sagte Miss Minton. »Was ist Trumpf?«
Fünf Minuten spielten sie ohne Unterbrechung, dann kam Major Bletchley ins Zimmer. Er war im Kino gewesen und erzählte ausführlich die ganze bewegende Geschichte des Wandernden Troubadours.
Das Spiel war noch nicht zu Ende, aber Mrs Cayley sah auf die Uhr, stellte mit schrillen kleinen Schreckensrufen fest, wie spät es schon sei, und stürzte zu ihrem Mann hinaus.
Als Tuppence am nächsten Morgen zum Frühstück kam, bemerkte sie eine gewisse Spannung in der Luft.
Mrs Perenna hatte die Lippen zusammengepresst, sprach wenig und war sehr missmutig. Als sie aus dem Zimmer ging, schmetterte sie die Tür hinter sich zu.
Major Bletchley bestrich ein Stück Toast dick mit Marmelade und kicherte vergnügt.
»Dicke Luft«, bemerkte er. »Na, schließlich zu begreifen.«
»Was hat’s gegeben? Was ist geschehen?«, fragte Miss Minton. Sie reckte begierig ihren mageren Hals und genoss die Sensation schon im Voraus.
»Ich plaudere nicht aus der Schule«, knurrte der Major.
»Oh! Aber Major!«
»Bitte, erzählen Sie doch«, bat Tuppence.
Nachdenklich blickte der Major seine Zuhörer an: Miss Minton, Mrs Blenkensop, Mrs Cayley und Mrs O’Rourke. Mrs Sprot und Betty waren im Garten. Dann entschloss er sich zu reden.
»Meadowes«, sagte er geheimnisvoll. »Hat sich die ganze Nacht herumgetrieben. Immer noch nicht nachhause gekommen.«
»Was?!«, rief Tuppence.
Major Bletchley sah sie boshaft und vergnügt an. Diese Witwe! Er amüsierte sich köstlich.
»Ein Bruder Leichtfuß, der Meadowes«, schmunzelte er. »Natürlich ärgert sich die Perenna.«
»O Gott!«, rief Miss Minton und errötete schamhaft.
Mrs Cayley machte ein sehr entsetztes Gesicht.
Mrs O’Rourke gluckste belustigt. »Ich habe es schon von Mrs Perenna gehört«, sagte sie. »Männer sind eben Männer. Alle gleich.«
»Aber vielleicht ist Mr Meadowes etwas zugestoßen«, warf Miss Minton eifrig sein. »Bei der Verdunkelung ist das doch gut
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