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Rotkäppchen und der böse Wolf

Rotkäppchen und der böse Wolf

Titel: Rotkäppchen und der böse Wolf Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Agatha Christie
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gewesen – wollte man ihn verdächtigen, so konnte die weitschweifige Art, wie er den ganzen Film wiedererzählte, auch als Schaffung eines Alibis angesehen werden. Dann war da dieser alberne Hypochonder, Mr Cayley, mit seinem Spaziergang durch den Garten. Wenn nicht seine Frau ein so läppisches Getue um ihn gemacht hätte, würde jeder angenommen haben, Mr Cayley hätte die ganze Zeit, wie eine Mumie in Decken und Tücher gewickelt, auf der Terrasse gesessen. (War es nicht an sich schon verwunderlich, dass er sich der Nachtluft ausgesetzt hatte?) Und schließlich war da noch Mrs O’Rourke selbst, die lächelnd den Hammer geschwungen hatte…
     
    »Deb, was ist los? Was ist dir übers Leberlein gekrochen, Darling?«
    Deborah Beresford fuhr auf, und dann begann sie zu lachen. Tony Marsdon sah sie mit seinen freundlichen braunen Augen besorgt an, und sie erwiderte den Blick freimütig. Sie konnte ihn gut leiden. Gescheit war er, ein viel versprechender Anfänger in der Chiffrier-Abteilung.
    Deborah war mit Leib und Seele bei ihrem Beruf, obschon die Arbeit sehr hohe Ansprüche an die Konzentration stellte. Anstrengend war sie wohl, diese Aufgabe, aber man wusste doch, wofür man arbeitete, und kam sich dazu so angenehm wichtig vor.
    »Mir fehlt nichts«, antwortete sie. »Familiensorgen, weißt du.«
    »Ja, die liebe Familie. Was hat deine denn angestellt?«
    »Ja, siehst du, ich bin eigentlich ein bisschen unruhig wegen Mutter.«
    »So? Und warum?«
    »Sie ist nach Cornwall gefahren. Wollte dort eine alte Tante pflegen – achtundsiebzig Jahre alt und vollkommen durchgedreht.«
    »Zweifelhaftes Vergnügen«, knurrte der junge Mann mitleidig.
    »Ich fand es sehr anständig von Mutter. Sie war schon ganz trübsinnig geworden – wollte durchaus etwas für England tun, und an keiner Stelle fand sich Verwendung für sie. Im vorigen Krieg hat sie gepflegt und sonst noch allerhand Nützliches getan, aber heute ist doch alles anders, und Leute in mittleren Jahren werden kaum mehr verwendet. Nur junge Menschen, die ganz gesund sind. Naja, Mutter blies zuerst richtig Trübsal, und dann fuhr sie nach Cornwall zu Tante Gracy, und da fuhrwerkt sie im Garten herum – Anbauschlacht und so.«
    »Sehr vernünftig«, bemerkte Tony.
    »Natürlich das Beste, was sie tun konnte. Sie ist noch recht rüstig«, sagte Deborah wohl wollend.
    »Und warum bist du so in Sorge?«
    »Charles hatte doch Urlaub und fuhr nach Cornwall, dort in die Nähe. Da habe ich ihn gebeten, sie zu besuchen und – na also, sie ist nicht dort.«
    »Nicht dort?«
    »Nein! Und ist auch nie dort gewesen.«
    Tony sah ziemlich bestürzt aus. »Komisch«, murmelte er.
    »Und wo ist dein Vater?«
    »Rotkopf? Irgendwo in Schottland. Arbeitet in einem Ministerium. Schauderhaft langweilig, den ganzen Tag Akten einordnen und jedes Formular dreimal ausfüllen…«
    »Vielleicht ist deine Mutter zu ihm gefahren?«
    »Nein, das geht nicht. Er arbeitet im Sperrgebiet. Frauen haben dort keinen Zutritt.«
    »Tja, dann hat sie sich wohl mit Absicht verdrückt.«
    Deborah sah Tony besorgt und unglücklich an.
    »Ja, aber warum nur? Ich begreife es nicht. Und dann ihre Briefe. Immer über Tante Gracy, den Garten und das Gemüse und so weiter.«
    »Das ist doch klar«, sagte Tony. »Natürlich soll jeder denken, sie sei dort. Das kommt ja vor… ich meine, dass Leute sich verdrücken – verstehst du?«
    Deborahs Augen flammten plötzlich wild.
    »Stellst du dir vielleicht vor, dass Mutter mit irgendeinem Jüngling ein vergnügtes Wochenende verlebt? Da bist du aber schön auf dem Holzweg. Du hast ja keine Ahnung, wie Mutter und Vater aneinander hängen. Wir necken die beiden immer deswegen. Vollkommen ausgeschlossen!«
    »Ausgeschlossen, natürlich«, sagte Tony hastig. »Entschuldige. So habe ich es ja nicht gemeint.«
    Deborah war besänftigt; dann aber runzelte sie wieder nachdenklich die Stirn.
    »Da ist noch eine komische Sache. Neulich will jemand Mutter in Leahampton gesehen haben. Ausgerechnet in Leahampton. Ich habe natürlich gesagt, das sei gar nicht möglich, sie sei in Cornwall, aber jetzt…«
    Tony wollte sich gerade eine Zigarette anzünden und hatte das Zündholz schon angerieben. Er horchte plötzlich auf. Das Zündholz erlosch.
    »Leahampton?«, fragte er scharf.
    »Ja. Aber dahin würde Mutter nie gehen. Lauter pensionierte Offiziere und alte Jungfern.«
    »So ungefähr stelle ich es mir dort auch vor«, bemerkte Tony.
    Er zündete seine Zigarette an und

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