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Rotkäppchens Rache

Rotkäppchens Rache

Titel: Rotkäppchens Rache Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jim C. Hines
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war es wenig besser als ein begehbarer Schrank. Sie hatte so viel mehr verdient, doch jedes Mal, wenn Danielle das Thema anschnitt, ließ Talia sie abblitzen.
    Danielle traf Talia an, als diese gerade Kleider aus einem kleinen Schrankkoffer nahm und jedes Kleidungsstück auf einen von drei Stapeln auf dem Boden legte. Talia machte sich nicht die Mühe aufzublicken. »Du machst beim Gehen zu viel Lärm, Prinzessin. Diese Schwertscheide schlägt dir bei jedem Schritt gegen die Beine. Erinnere mich daran, die Riemen festzuziehen, bevor ich gehe.«
    »Du wirst nicht gehen«, sagte Danielle.
    »Roudette ist uns entwischt. Sie wird immer wieder wegen mir kommen.«
    »Du hast schon früher gegen sie gekämpft«, legte Danielle dar.
    »Das spielt keine Rolle.« In Talias Worten lag keine Kampfeslust mehr. »Königin Lakhim weiß, wo ich bin. Wenn nicht Roudette, dann wird sie jemand anders schicken. Sie wird nicht aufhören, es zu versuchen, und es wird sie nicht kümmern, wer in das Blutvergießen mit hineingerät.«
    Danielle zog die Tür hinter sich zu. Sonnenlicht zwängte sich durch ein schmales Fenster in der anderen Wand. »Sie sind deine Söhne. Bestimmt können wir mit Arathea reden, ihnen erklären -«
    »Mutal und Mahatal sind sieben … nein, acht Jahre alt. Roudette wurde vielleicht in ihrem Namen angeheuert, es war vielleicht ihr Gold, das als Lohn versprochen wurde, aber der Befehl kam von ihrer Großmutter. Lakhim wird keine Ruhe geben, bis ich für den Mord an ihrem Sohn bezahlt habe.«
    Danielle setzte sich neben sie. »Es war kein Mord. Was er dir angetan hat -«
    »Du meinst, das interessiert sie? Prinz Jihab war ihr einziger Sohn!« Fast unmerklich stolperte sie über den Namen. »Ich habe ihm im Schlaf die Kehle durchgeschnitten. Ich hielt es für ausgleichende Gerechtigkeit, angesichts dessen, was er mit mir im Schlaf gemacht hatte. Seit er tot ist, herrscht seine Mutter als Haishak - als Regentin -, bis ihre Enkel mündig werden.« Talia schleuderte eine Schärpe auf den am nächsten liegenden Stapel. Sie starrte darauf und sah selbst verloren aus. »Meine eigenen Söhne, und ich kann mich nicht einmal daran erinnern, wie sie aussahen.«
    Danielle hob die Schärpe auf und faltete sie wieder zusammen. Talia mochte von Elfen gesegnet sein, aber auf Wäsche erstreckten sich ihre Gaben nicht.
    »Ich erinnere mich daran, wie sie weinten«, sagte Talia. »Manchmal denke ich, dass es dieses Weinen war, das mich aus dem Fluch geweckt hat. Nicht die Schmerzen der Niederkunft, sondern das Weinen.«
    Staub wehte durch die Luft, als sie die Matratze auf dem Feldbett zurückschob und einen langen Dolch darunter hervorholte, den sie neben ihre Kleider legte. »Ich kann dir nicht sagen, wie sie aussahen, aber ich erinnere mich an ihren Vater. Ich erinnere mich an seine Siegesfreude, als er zurückkehrte, um mich für sich zu beanspruchen. Seinen Preis, Prinzessin Talia Malak-el-Dahshat. Der Schlüssel seiner Familie zum Thron Aratheas. Ich tötete ihn, Danielle. Kein Staatsvertrag gibt Lorindar das Recht, der Mörderin eines Prinzen Unterschlupf zu gewähren.«
    »Dann werden wir eben einen neuen Vertrag schreiben!«, sagte Danielle.
    Das trug ihr ein müdes Lächeln ein. Talia griff in den Koffer und förderte eine Tabakspfeife zutage. Sie hielt sie ins Licht und inspizierte den geschnitzten Meerschaumkopf und den langen, gebogenen Holzstiel, ehe sie sie wieder in ihr Etui zurücklegte. »In Arathea kommt die Familie vor allem andern. Ich bin bloß überrascht, dass sie so lang gebraucht haben, um mich zu finden.«
    »Was ist mit Schnee?«
    »Wir wissen beide, dass diese Geschichte kein glückliches Ende nehmen wird. Es ist Zeit für mich, weiterzuziehen.« Talias angespannte Schultern straften ihren gleichgültigen Tonfall Lügen. »Es ist ihr jetzt schon eine ganze Weile unbehaglich in meiner Gegenwart.«
    »Ich habe ihr nie erzählt, wie du für sie empfindest«, sagte Danielle.
    »Ich weiß.« Talia nahm ein provisorisches Stilett vom Boden des Koffers. Angefertigt aus einem dicken Metallstift, dessen untere Hälfte mit zerschlissenem Zwirn umwickelt war, war es weit davon entfernt, einschüchternd zu wirken. »Das hier habe ich in Arathea aus einem geklauten Zeltpflock gemacht. Es hat mir drei Mal das Leben gerettet.«
    Danielle stand auf und versuchte, die Leere in ihrer Brust zu ignorieren. Talia war eine ihrer engsten Freundinnen. Eine ihrer wenigen Freundinnen. Das Leben einer Prinzessin eignete sich nicht

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