Rotkäppchens Rache
Talia.
»Es war Faziya, die mir diesen Gedanken eingab. Wir sprachen über die Angriffe der Jagd auf Kha’iida-Stämme. Sie wurde emotional, prangerte die Grausamkeit der Jagd an, nannte sie nicht besser als die Deev. Ich fragte, ob darin womöglich nicht mehr Wahrheit läge, als uns klar sei. Kurz darauf ging sie.«
»Wenn sie Zestan für eine Deev hielt, dann blieb ihr keine Wahl.« Talia warf einen raschen Blick auf die andern. Schnees Stirn war gefurcht und Danielle wirkte verloren. Talia wechselte die Sprache und tat ihr Möglichstes, es ihr zu erklären. »Die Deev waren schon immer stärker als die Peri. Den Geschichten zufolge ist der einzige Grund, weshalb die Peri ihren Krieg gewonnen haben, der, dass wir ihnen geholfen haben. Peri-Magie erschuf große Kämpfer. Jeder Stamm schickte seine stärksten Krieger aus; die Peri verzauberten diese Männer und stärkten sie so weit, dass sie in der Lage waren, sogar dem mächtigsten Elfen entgegenzutreten. Jeder Kämpfer erhielt eine Waffe, die eigens angefertigt worden war, um Deev zu töten. Diese Waffen sind bis zum heutigen Tag weitergereicht worden. Die Peri siegten, waren aber nicht in der Lage, die Deev zu vernichten. Stattdessen sperrten sie sie tief im Inneren der Erde ein. Die Peri zogen sich in die Berge zurück und überließen es den Stämmen, nach der Wiederkehr der Deev Ausschau zu halten.«
»Den Kha’iida?«, fragte Schnee.
Talia nickte. »Auf Alt-Aratheanisch bedeutet das Wort Kha’iida Eidträger: Es bezeichnet diejenigen, die geschworen haben, diese Welt vor den Deev zu beschützen.«
»Deshalb also hat Zestan die Wilde Jagd auf sie gehetzt!«, sagte Danielle.
»Jeder Kha’iida ist eine Bedrohung für sie.« Einschließlich Faziya.
Uf’uyan ringelte und entringelte seinen Schwanz, die Naga-Entsprechung des Auf-und-ab-Gehens. »Die Raikh unterhält einen Elfengarten oben auf ihrer Villa, der durch Magie gepflegt und von allerlei Wesen bewohnt wird. Ich habe ihn viele Male gesehen, damals, bevor Rajil sich zugunsten Zestans von meinen Lehren losgesagt hat. Ihre Menagerie … es sind nicht die Gestalten, in die sie hineingeboren wurden.«
Schnee, die Danielle die Zusammenfassung der Unterhaltung zugeflüstert hatte, hielt inne, um zu fragen: »Ihr glaubt, Faziya wurde verwandelt?«
»Elfenmagie«, entgegnete Uf’uyan. »Durchgeführt von Rajils Ratgeberin.«
»Und Ihr habt nichts unternommen!« Talia fing an zu bedauern, dass sie dazwischengegangen war, als Roudette den Priester hatte fertigmachen wollen.
»Es ist mir nicht erlaubt, mich ins Siqkhab einzumischen«, erklärte Uf’uyan. »Menschenrecht ist Rajils Domäne.«
»Talia.« Danielles Stimme war sanft, wie immer, wenn sie etwas äußerst Ärgerliches sagen wollte. »Du musst Königin Lakhim davon in Kenntnis setzen.«
»Sie wovon in Kenntnis setzen?«, fragte Talia herausfordernd. »Dass sie aufhören sollte, mich zu jagen, und lieber nach einer Deev suchen soll?« Sie wirbelte herum. »Wenn Zestan so verdammt mächtig ist, warum gibt sie sich dann mit mir und meinem Fluch ab? Warum vernichtet sie Königin Lakhim nicht selbst?«
»Die Deev waren stark«, ergriff Uf’uyan erneut das Wort. »Vielleicht zu stark. Wie die Peri verließen sie sich auf Gewalt und meisterten nie die komplizierteren Bereiche der Magie. Die Macht eines Deev könnte Lakhims Palast im Erdboden versinken lassen, aber solche Macht würde auch Zestan entlarven. Könnt ihr euch die Reaktion ausmalen, wenn Arathea von ihrer Gegenwart erfährt? Das ganze Land würde sich gegen sie vereinigen.«
»Was exakt der Grund ist, weshalb du Königin Lakhim warnen solltest«, wiederholte Danielle. »Sie muss die Wahrheit erfahren.«
»Lakhim hat sich noch nie für die Wahrheit interessiert. Wir gehen zur Villa der Raikh!«
Roudette straffte sich und hob mit beiden Händen den Hammer. »Was ist mit ihm?«
Vater Uf’uyan verbeugte sich. »Ich habe euch alles erzählt, was ich kann. Meine Seele ist bereit.«
»Nein«, sagte Danielle.
»Ihr könnt es euch nicht leisten, mich am Leben zu lassen«, sagte Uf’uyan. »Ich verstehe das, und meine Vergebung ist euch gewiss.«
»Er hat recht.« Talia hob das Schwert. »Selbst wenn ich ihm vertrauen würde, dass er uns nicht verrät, Elfenmagie könnte seinem Verstand unsere Geheimnisse entreißen. Das Risiko -«
»Dann nehmen wir ihn eben mit.« Danielle öffnete den Käfig, griff hinein und nahm eine der Mäuse heraus. »Er wird natürlich kleiner sein
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