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Rotkäppchens Rache

Rotkäppchens Rache

Titel: Rotkäppchens Rache Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jim C. Hines
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sich Faziyas Abgelenktheit genauso zunutze machte, wie sie es bei einem Feind getan hätte. Mit einer einzigen Bewegung stieß sie das Schwert nach vorn und ließ die Klinge über Faziyas Bein gleiten.
    Glas durchtrennte Haut und Muskeln und Talia konnte spüren, wie die Schneide über Knochen scharrte. Noch während sie das Schwert zurückzog, wusste sie, dass sie zu tief geschnitten hatte: Das Schwert war zu scharf. Sie taumelte zurück und musste ihre ganze Willenskraft aufbringen, um es nicht wegzuschleudern.
    Faziya fletschte die Zähne und schnappte nach Talia, dann stürzte sie sich auf Schnee, schien jedoch außerstande, den Kreis zu verlassen. Sie hielt das Bein eng am Körper und wimmerte, während ihr Blut sich in den Sand ergoss.
    Talia stieß das Schwert in den Boden und kniete am Rand des Kreises nieder. Sie zwang sich zuzusehen, wie immer mehr Blut die Erde dunkel färbte. Faziya versuchte, die Wunde zu lecken, konnte sie aber nicht erreichen. Sie sah Danielle an und stieß ein leises Winseln aus. Danielle hatte die Hände gefaltet, ihre Lippen bewegten sich stumm.
    Nur zu schnell wurde Faziya lethargisch. Sie zog sich auf die andere Seite des Kreises zurück und rollte sich auf dem Boden zusammen.
    »Wie lange noch?«, flüsterte Talia.
    »Bald«, sagte Schnee. »In dem Maße, wie das Blut aus ihrem Körper rinnt, verliert der Fluch seine Macht.«
    Talia konnte sich nicht daran erinnern, wann sie das letzte Mal gebetet hatte. Alles und jeden, den sie je gekannt hatte, durch einen Elfenfluch zu verlieren, war für ihr Vertrauen zu Gott und seinen Propheten so ziemlich das Ende gewesen. Aber jetzt flehte sie Gott an, das hier klappen zu lassen.
    Blut breitete sich um Faziya herum auf der Erde aus. Sie winselte noch einmal, schwächer diesmal, und Talia presste es das Herz zusammen. »Es funktioniert nicht.«
    »Es wird«, sagte Schnee.
    Faziya schloss die Augen.
    »Schnee, hör auf damit!« Talia ging auf den Kreis zu und erstarrte. Wenn sie versuchte, Faziya zu bewegen, würde sie es möglicherweise nur schlimmer machen. »Hilf ihr!«
    »Ich weiß, was ich tue! Der Körper kann sehr viel Blut verlieren und es trotzdem überleben.«
    Talia umschritt den Kreis. Dieses Mal fehlte Faziya die Energie zur Flucht. Talia streckte die Hand aus und ließ sie auf dem warmen Fell an Faziyas Hals ruhen. »Verzeih mir!«
    »Hab dich!«, flüsterte Schnee.
    Faziyas Körper zuckte unter Talias Hand. Ihre Beine traten aus, und Fellbüschel fielen ab und enthüllten Haut von der Farbe geölten Olivenholzes. Die Augen klappten auf und ihr Körper begann zu wachsen.
    Schnee war bereits zur Stelle. Sie schob Talia zur Seite und rollte Faziya auf den Rücken, dann presste sie eine Hand auf die blutige Schnittwunde - auf das, was ein Arm wurde. Noch mehr Fell fiel ab. Faziyas nächstes Keuchen klang fast menschlich.
    »Jetzt hier draufdrücken!« Schnee zeigte auf eine Stelle oberhalb des Schnitts in der Nähe von Faziyas Achselhöhle.
    Talia gehorchte und drückte fest. Schnee flüsterte einen Zauberspruch, woraufhin der Golddraht um ihren Finger so dünn wie ein Faden wurde und sich in die Wunde senkte.
    Talia strich Faziya verfilzte Haare aus den Augen. Ihr Gesicht fühlte sich kühl an.
    »Zu viel Blut«, murmelte Schnee. »Drück fester!«
    Talia tat wie geheißen, obwohl Faziya aufschrie.
    »Halt sie ruhig!«
    »Ich versuch’s ja!«, entgegnete Talia, während sie Faziyas andere Schulter ergriff und auf den Boden drückte. »Faziya, ich bin’s - Talia! Ich werde dir helfen! Versuche nicht zu kämpfen!«
    »Sing ihr etwas vor!«, sagte Danielle.
    Talia schluckte. Eine ihrer Elfensegnungen war die Gabe des Singens gewesen. Es war eine Gabe, von der sie nur selten vor jemandem Gebrauch machte, der älter als zwei war. Leise stimmte sie eine alte Ballade von einem Prinzen aus dem Osten und seiner Kha’iida-Geliebten an.
    Faziyas schmerzverzerrtes Gesicht entspannte sich ein wenig. »Talia?«
    »Ich bin hier. Beweg dich nicht.«
    Die Jahre hatten Faziya verändert. Die Linien in ihrem Antlitz waren tiefer geworden, ein Hinweis auf die Falten, die sie eines Tages um Augen und Mundwinkel tragen würde. Ihr Haar war lang und lose und rahmte ihr rundes Gesicht ein. Talia erinnerte sich an alles: die dunklen Brauen, die winzige Narbe über ihrer Oberlippe, die zwei kleinen Leberflecken auf der einen Seite des Kinns.
    »Sie ist so bleich!«, wisperte Talia. Faziyas Haut war feucht von Schweiß.
    Faziya versuchte sich

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