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Rotkehlchen

Rotkehlchen

Titel: Rotkehlchen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jo Nesbø
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die Autotür hinter sich zu.
    »Keiner hat mit ihm gesprochen, ihn gesehen oder je von Ayub gehört«, verkündete er. »Fahr zu.«
    »Na dann«, sagte Ellen, warf einen Blick in den Spiegel und fuhr vom Straßenrand los.
    »Wie ich höre, fängst du auch an, Prince zu mögen, oder?« »Ach ja?«
    »Du hast die Musik auf jeden Fall lauter gestellt, als ich draußen war.«
    »Oh.« Sie musste Harry anrufen.
    »Stimmt etwas nicht?«
    Ellen starrte steif nach vorne auf den nassen schwarzen Asphalt, der im Licht der Straßenlaternen glitzerte.
    »Was sollte denn nicht stimmen?«
    »Ich weiß nicht, du siehst so aus, als wäre irgendetwas geschehen.«
    »Nee, da war nichts, Tom.«
    »Hat jemand angerufen? – He!« Tom zuckte im Sitz zusammen und stützte sich mit beiden Händen am Armaturenbrett ab. »Hast du den Wagen denn nicht gesehen?«
    »Sorry.«
    »Soll ich übernehmen?«
    »Das Fahren? Wieso denn?«
    »Na, du fährst wie eine …«
    »Eine was?«
    »Vergiss es. Ich hab gefragt, ob jemand angerufen hat.«
    »Nein, keine Anrufe, Tom. Das hätte ich doch sonst gesagt, oder?« Sie musste Harry anrufen, schnell.
    »Warum hast du dann mein Handy ausgestellt?«
    »Was?« Ellen starrte ihn entsetzt an.
    »Guck auf die Straße, Gjelten. Ich habe gefragt, warum …«
    »Ich sage doch, es hat niemand angerufen. Du hast das Handy wohl selbst ausgemacht!«
    Ohne es zu wollen, war ihre Stimme so laut geworden, dass sie ein Klirren in ihren eigenen Ohren hörte.
    »Okay, Gjelten«, sagte er. »Reg dich ab, ich hab ja bloß gefragt.« Ellen versuchte zu tun, was er sagte. Gleichmäßig zu atmen undsich nur auf den Verkehr vor sich zu konzentrieren. Am Kreisverkehr bog sie nach links in die Vahlsgate ab. Es war Samstagabend, doch die Straßen in diesem Teil der Stadt waren beinahe menschenleer. Grün. Nach rechts über die Jens Bjelkes Gate. Dann links in die Toyengate und in die Garage des Polizeipräsidiums. Die ganze Zeit über spürte sie Toms prüfenden Blick.
     
    Harry hatte nicht ein einziges Mal auf die Uhr gesehen, seit er Rakel Fauke begegnet war. Er hatte sogar mit Linda die Runde gemacht und ein paar seiner Kollegen begrüßt. Das Gespräch war ihm aber schwer gefallen. Sie fragten nach seinem Aufgabengebiet und nach der Beantwortung dieser Frage hakte es immer. Vermutlich ein ungeschriebenes Gesetz im PÜD, nicht zu viel zu fragen. Oder es war ihnen allen vollkommen egal. Aber sei’s drum, er interessierte sich ja auch nicht sonderlich für die anderen. Er war wieder an seinem Platz vor dem Lautsprecher. Ein paarmal hatte er den roten Schimmer ihres Kleides wahrgenommen; sie schien auch umherzulaufen und kaum lange mit jemandem zu reden. Sie hatte nicht getanzt, dessen war er sich ganz sicher.
    Mein Gott, ich führe mich wie ein Teenager auf dachte er.
    Dann sah er doch auf die Uhr. Halb zehn. Er könnte zu ihr hinübergehen, ein paar Worte sagen und die Reaktion abwarten. Und wenn nichts geschah, konnte er einfach das Weite suchen, den Tanz hinter sich bringen, den er Linda versprochen hatte, und nach Hause gehen. Wenn nichts geschah… Was bildete er sich eigentlich ein? Eine quasi verheiratete Polizeiinspektorin! Er brauchte einen Drink. Nein. Noch einmal sah er auf seine Uhr. Ihn schauderte bei dem Gedanken an den Tanz, in den er eingewilligt hatte. Nach Hause in seine Wohnung. Die meisten waren glücklich und voll. Doch auch in nüchternem Zustand hätten wohl nur die wenigsten bemerkt, dass der neue Kommissionsleiter von ganz hinten im Flur verschwunden war. Er könnte einfach durch die Tür schlendern und den Fahrstuhl nach unten nehmen. Und draußen wartete dann ja auch noch sein treuer Escort. Linda sah ohnehin so aus, als vergnügte sie sich auf der Tanzfläche. Sie hielt einen jungen Beamten umklammert, der sie mit leicht verschmitztem Lächeln herumschwang.
    »Das Raga-Konzert beim Jura-Festival hatte mehr Pep, findest du nicht auch?«
    Er spürte, wie sein Herz schneller schlug, als er ihre dunkle Stimme neben sich hörte.
     
    Tom hatte sich in Ellens Büro neben ihren Stuhl gestellt.
    »Tut mir Leid, wenn ich im Auto ein bisschen grob war«, sagte er.
    Sie hatte ihn nicht kommen hören und zuckte zusammen. Sie hielt den Hörer in der Hand, hatte die Nummer aber noch nicht gewählt.
    »Ach, das war doch nichts«, sagte sie. »Weißt du, ich bin heute nicht so gut drauf … du weißt schon.«
    »Prämenstruell?«
    Sie sah zu ihm hoch und erkannte, dass das kein Witz war, sondern dass er wirklich

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