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Rotkehlchen

Rotkehlchen

Titel: Rotkehlchen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jo Nesbø
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nicht mehr mit Waaler zusammenarbeiten musste.
    Es war nicht die Musik. Die quälte sie nicht. Und er war ganz sicher auch kein schlechter Polizist.
    Es waren die Telefongespräche. Nicht dass Ellen Gjelten nicht Verständnis für eine gewisse Pflege des Sexuallebens hatte, doch jedes zweite Mal, wenn sein Handy klingelte, war das eine Frau, die, wie sie dem Gespräch entnehmen konnte, sitzen gelassen wurde, dies bereits hinter sich hatte oder der es bald bevorstand. Bei Letzteren waren die Telefonate am widerwärtigsten. Diese Frauen hatte er noch nichtganz abgelegt, und er sprach mit ihnen mit einer ganz speziellen Stimme, bei der Ellen immer am liebsten losgeschrien hätte: Tu’s nicht! Er ist nicht gut für dich! Hau ab! Ellen Gjelten war eine großherzige Person, die menschliche Schwächen leicht verzieh. Bei Tom Waaler hatte sie kaum Schwächen ausgemacht, doch auch nicht viel Menschlichkeit. Sie mochte ihn ganz einfach nicht.
    Sie fuhren am Toyenparken vorbei. Waaler hatte einen Tipp bekommen, dass jemand Ayub, den pakistanischen Gangleader, den sie seit dem Überfall im letzten Dezember im Schlosspark suchten, im Alladin, dem persischen Restaurant in der Hausmannsgate, gesehen hatte. Ellen wusste, dass sie zu spät kamen; sie würden einfach nur herumfragen, ob jemand wusste, wo Ayub war. Sie würden keine Antwort bekommen, doch sie hätten sich auf jeden Fall gezeigt und damit bewiesen, dass sie ihn nicht in Frieden lassen würden.
    »Warte im Auto«, sagte Waaler, »ich gehe hinein und schau mich mal uni.«
    »Okay.«
    Waaler zog den Reißverschluss seiner Lederjacke hinunter.
    Um die Muskeln zu zeigen, die er sich im Trainingsraum des Polizeipräsidiums antrainiert hatte, dachte Ellen. Oder gerade so viel von dem Schulterhalfter, dass sie erkannten, dass er bewaffnet war. Die Beamten des Dezernats für Gewaltverbrechen hatten die uneingeschränkte Erlaubnis, Waffen zu tragen, doch sie wusste, dass Waaler etwas anderes als seine Dienstwaffe bei sich trug. Ein großkalibriges Ding, sie hatte keine Lust gehabt, Details zu erfragen. Nach Autos sprach Waaler am liebsten über Handfeuerwaffen und da waren ihr sogar die Autos noch lieber. Sie selbst trug keine Waffe. Nur, wenn es ihr befohlen wurde, wie bei dem Präsidentenbesuch im letzten Herbst.
    Etwas regte sich ganz hinten in ihrem Kopf. Doch der Gedanke wurde sogleich von einer digitalen Dudel-Version von Napoleon und sein Heer abgewürgt: Waalers Mobiltelefon klingelte. Ellen öffnete die Tür, um ihm nachzurufen, doch er war bereits in der Tür des Alladin verschwunden.
    Eine langweilige Woche lag hinter ihnen. Ellen konnte sich an keine ähnlich öde Woche erinnern, seit sie in den Polizeidienst getreten war. Sie befürchtete, das könne damit zu tun haben, dass sie plötzlich ein Privatleben hatte. Plötzlich machte es Sinn, nicht zu spät am Abend nach Hause zu kommen, und Samstagsdienste, wie an diesemAbend, waren plötzlich zu einem Opfer geworden. Das Mobiltelefon spielte Napoleon zum vierten Mal.
    Eine der Verschmähten? Oder eine, der es noch bevorstand? Wenn Kim sie jetzt fallen lassen würde … Doch das würde er nie tun. Das wusste sie ganz einfach.
    Napoleon und sein Heer, zum fünften Mal.
    In zwei Stunden war ihre Schicht vorüber und sie wollte nach Hause, duschen und dann hinüber zu Kim in die Helgesensgate. So geil, wie sie war, würde sie kaum fünf Minuten brauchen. Sie kicherte.
    Das sechste Mal! Sie nahm das Telefon, das unter der Handbremse lag.
    »Dies ist der Anschluss von Tom Waaler. Herr Waaler ist zur Zeit leider nicht zu erreichen, Sie können aber nach dem Signalton eine Nachricht hinterlassen!«
    Das Ganze sollte eigentlich ein Scherz werden und sie wollte ursprünglich auch gleich danach ihren Namen sagen, doch aus irgendeinem Grund verharrte sie und lauschte dem schweren Atem am anderen Ende der Leitung. Vielleicht wegen der Spannung, vielleicht, weil sie einfach neugierig war. Auf jeden Fall war ihr plötzlich klar, dass der Anrufer wirklich glaubte, mit dem Anrufbeantworter verbunden zu sein und auf den Signalton wartete! Sie drückte auf eine der Nummerntasten. Piep.
    »Hei, hier ist Sverre Olsen.«
     
    »Hei, Harry, das ist …«
    Harry drehte sich um, doch der Rest von Kurt Meiriks Satz wurde vom Dröhnen des Basses verschluckt, als der selbst ernannte DJ die Musik aufdrehte, die unmittelbar hinter Harry aus dem Lautsprecher dröhnte:
     
    That don’t impress me much …
     
    Harry war erst seit zwanzig Minuten

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